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Kölner Kreuzigung

Kölner Kreuzigung

Titel: Kölner Kreuzigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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und Böschung hindurch, blieb am wintertrockenen Gestrüpp hängen und trat schließlich zeitgleich mit seinem Kameraden vor den vorderen Laster.
    Aus dem Augenwinkel hatte er die beiden Männer im ersten Wagen starr in ihrer Kabine sitzen gesehen. Sie schienen sie nicht zu beachten. Er wusste ums Verrecken nicht, auf was die beiden starrten oder was sie zum Anhalten bewogen hatte. Vor dem Lkw war nichts zu erkennen außer einer Einbuchtung in der Straße, vielleicht ein Halteplatz, vielleicht die Einmündung einer kleinen Bergstraße. Nichts Verdächtiges, nichts, das einen Stopp rechtfertigte. Mit einer Kopfbewegung wies er seinen Gefährten an, die Straße vor ihnen weiter im Auge zu behalten. Er selbst drehte sich zu dem Lkw um und blickte in die Mündung einer Wehrmachtspistole. Das Geräusch des Schusses nahm er nicht mehr wahr, und noch bevor er die Situation begriffen hatte, lag auch sein Begleiter tot im Staub der Straße.
    Hauptmann Schulz steckte die Pistole ruhig zurück in den Halfter. Er hatte sich auf das Trittbrett neben der leise geöffneten Tür gestellt, um nicht durch die Scheibe schießen zu müssen. Nun blickte er zurück in die Fahrerkabine. Sein Beifahrer schaute entsetzt auf die beiden Toten und rührte sich nicht.
    »Komm, hilf mir! Wir haben nicht viel Zeit.« Josef Meingold bewegte sich nicht. Schulz stieß ihn an. »Verdammt noch mal, stell dich nicht so an und hilf mir. Wir müssen die beiden von der Straße holen.«
    Doch Josef Meingold blieb sitzen. Schulz fluchte, zog den Schlüssel vom Zündschloss und kletterte aus dem Wagen. Dann ging er hinüber zu den beiden Männern, die auf der Straße lagen. Beide waren tot. Nicht, dass er wirklich daran gezweifelt hätte. Er war ein guter Schütze.
    Zunächst nahm er den Gefreiten, der am Hang lag, griff ihm unter die Arme und zog ihn langsam an den Rand der Straße. Anschließend gab er ihm einen festen Tritt, sodass er mehrere Meter den Abhang hinunterrollte. Schulz beugte sich ein Stück weit vor, um sicherzugehen, dass er auch wirklich nicht mehr von der Straße aus zu sehen war. Danach widmete er sich der zweiten Leiche. Auch diese schleifte er, den Toten unter den Armen haltend, hinüber zum Hang und stieß sie hinunter. Aber der Leichnam des Obergefreiten Rüdiger Wortmann verfing sich in ein paar abgestorbenen Beerensträuchern.
    Schulz sah zu den Lastern. Meingold saß nach wie vor an seinem Platz und blickte unentwegt geradeaus. Er hätte sich einen anderen Partner suchen sollen. Hatten sie nicht genug Tote gesehen in diesem Krieg? Musste er ausgerechnet jetzt so reagieren? Es half alles nichts. Schulz kletterte die paar Meter bis zu den Beerensträuchern den Abhang hinunter, versuchte, der Leiche mit einem Fußtritt genug Schwung zu geben, damit sie weiter hinabsank. Aber sie steckte fest. Erst als Schulz einige Äste ausriss, gaben die Sträucher ihre tote Beute frei. Die Leiche Rüdiger Wortmanns fiel in die Tiefe.
    Erst viele Monate später würde ein amerikanischer Spähtrupp auf der Suche nach Heckenschützen die verwesten Überreste der beiden Soldaten finden. Sie würden sich nicht weiter für sie interessieren. Routinemäßig würden sie ihnen die Kennmarken abbrechen und sie liegen lassen, bis sich vielleicht später jemand um sie kümmerte. Tote Deutsche waren kein Grund, Aufhebens zu machen oder gar Fragen zu stellen. Sie waren ein Grund zur Erleichterung.
    Schulz kletterte in den vorderen Lkw zurück und bot Meingold eine Zigarette an. Zu seiner Überraschung nahm der sie an. Schulz hatte bereits befürchtet, dass Meingold sich gar nicht mehr bewegen würde. In diesem Fall hätte er ein echtes Problem gehabt. Er gab Meingold Feuer, schweigend saßen die beiden Männer nebeneinander und rauchten eine Weile still vor sich hin. Schließlich unterbrach Schulz die Stille.
    »Du wusstest, was dich erwartet.«
    Josef Meingold zog an seiner Zigarette und nickte.
    »Wir dürfen jetzt keine Fehler machen. Unser beider Leben steht auf dem Spiel. Du hängst hier jetzt mit drin. Aber ich lass dich nicht hängen.« Schulz packte Meingold bei diesem Satz fest an der Schulter und schüttelte ihn leicht. »Lass du mich auch nicht hängen!«
    Josef Meingold sagte immer noch nichts.
    Er hatte sich verschätzt, dachte Schulz bei sich. Er kannte seinen Begleiter seit Kindertagen, er war ihm immer gefolgt und ein verlässlicher Freund gewesen. In der Schule, im Leben und im Krieg. Es war seiner Tante zu verdanken, dass sie beide im gleichen

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