Kölner Kreuzigung
Bergkamp schaute sie kurz unsicher an. Sie nickte, nahm das mobile Blaulicht aus dem Fußraum und setzte es auf das Dach des alten Vectra. Dann gingen sie über den Parkplatz zu einem Nebeneingang. Auch der war verschlossen. Auf ihr Klingeln ertönte immerhin ein Türsummer. Durch ein helles und nach Putzmittel riechendes Treppenhaus gelangten sie von der Seite in ein Foyer, dessen großzügige Vordertüren direkt auf die Straße gingen. Zwei Sicherheitsbeamte saßen hinter einem Tresen und schauten Bergkamp und Wagner gelangweilt an. Bergkamp zog seine Dienstmarke aus der Jacke und hielt sie den Wachleuten hin.
»Wir möchten in das Studio 65.«
Der eine Wachmann deutete mit dem Stift auf eine Tür rechts von ihnen. Bergkamp steckte die Marke zurück und drehte sich um. Paula Wagner folgte ihm zum Studio. In der Tür drehte sie sich noch einmal um.
»Falls jemand wegen des Wagens fragt. Der gehört uns.« Mit diesen Worten betraten sie eine auf den ersten Blick dunkle, hohe Halle. Sie hatten das Studio auf der Rückseite der Kulissen betreten, simple Holzkonstruktionen, die den Blick auf das Geschehen dahinter verdeckten. Wagner ging um eine der Kulissen herum. Geschrei brach los. Hannes Bergkamp hielt sich zurück, aber die Kommissarin ignorierte das Geschrei völlig. Sie hielt ihre Dienstmarke in die Luft und brüllte zurück: »Kriminalpolizei! Kriminalkommissarin Paula Wagner und Hauptkommissar Hannes Bergkamp, Mordkommission. Wer von Ihnen ist Jan Martinez?«
Zu Paula Wagners Überraschung hob ein kleiner, schlacksiger Blondschopf die Hand. Er trug eine Hüftjeans, die den Blick auf eine karierte Short freigab, ein gelbes T-Shirt mit Mustern, die an psychedelische Kunst erinnern sollten, und ein Headset, das er sich vom Kopf zog, als er auf die beiden Polizisten zuging. Während seine Finger nervös mit dem Headset spielten, waren seine Schritte eher zögerlich. Paula Wagner dachte an ein aufgeregtes Kind, das sich nicht zwischen Angst und neugieriger Aufregung zu entscheiden wusste. Als Jan Martinez bei ihnen stand, steckte er die Hände verlegen in die Hosentaschen. Hannes Bergkamp überließ zunächst Paula Wagner das Wort.
»Können wir uns hier irgendwo ungestört unterhalten?«
Martinez führte die beiden Polizisten in eine kleine mit Scheinwerfern, Stativen und Kabeln vollgestellte, fensterlose Kammer. An einer Wand stand zwischen angeschraubten Metallregalen ein kleiner Schreibtisch.
»Ich weiß nicht, ob ich noch einen Stuhl habe«, sagte er unsicher. Aber Hannes Bergkamp hatte es sich bereits auf der Tischkante bequem gemacht und Paula Wagner lehnte entspannt an der Tür. Martinez setzte sich in die Mitte auf einen Bürostuhl und schaute abwechselnd zu den beiden Polizisten hoch, die ihn erst einmal anschwiegen und zusahen, wie der Junge zusehends hektischer auf seinem Drehstuhl herumhampelte.
»Sind Sie nervös?«, fragte Paula Wagner von der Tür aus.
Martinez drehte sich zu ihr. »Warum sollte ich nervös sein? Ich habe niemandem etwas getan.«
»Sie dealen.«
Verwirrt drehte sich Martinez zu Bergkamp um, fand aber rasch seine Fassung wieder. »Ich?«
Bergkamp nickte. Aber Wagner sprach: »Sie haben Christian Alberti und Julia Stolz mit Drogen versorgt. Wir wissen von mindestens drei Gelegenheiten, bei denen Sie den beiden Kokain verkauft haben. Außerdem machen Sie Deals mit mindestens vier anderen Mitgliedern ihres Teams hier.«
Martinez lachte auf. »Ich dachte, wir beim Fernsehen denken uns die Geschichten aus?«
»Nein, wir bei der Polizei sind da auch sehr gut drin. Und wissen Sie, was das Beste ist? Unsere Geschichten sind wahr.«
»Hat Alberti Ihnen Geld geschuldet? Ihnen oder Ihren Lieferanten?«
»Was? Wovon reden Sie?«
»Wir reden davon, dass Sie Alberti umgebracht haben, weil er Ihnen Geld geschuldet hat. Und seine Freundin haben Sie als Zeugin gleich mit beseitigt.«
»Sind Sie verrückt? Alberti hat immer bar bezahlt. Das war nie ein Problem zwischen uns.«
»Was hat er bar bezahlt?« Hannes Bergkamp lächelte Jan Martinez freundlich an. Der Set-Aufnahmeleiter sank in sich zusammen. Sein Stuhl bewegte sich nun nicht mehr. »Sie haben ihn also mit Koks versorgt?« Martinez nickte und hielt sich die Hände vors Gesicht.
»Aber mit den Morden habe ich nichts zu tun!« Verzweifelt blickte er von Wagner zu Bergkamp.
Paula Wagner hatte fast ein wenig Mitleid mit ihm. Es war so einfach gewesen, ihn in die Falle zu locken. Auch nach fünf Jahren in ihrem Beruf war sie
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