Kölner Kreuzigung
riechen müssen. Da der Mann keine Anstalten machte sich zu wehren, lockerte sie vorsichtig ihren Griff. Sie verzichtete darauf, ihre Handschellen einzusetzen. Schließlich war sie hier, um Auskünfte einzuholen, nicht um Kleinganoven hochgehen zu lassen. »Setz dich einfach wieder ruhig hin. Wahrscheinlich bin ich gar nicht wegen dir hier.« Langsam führte sie den Mann zu seinem Barhocker zurück. Er setzte sich artig und stützte den Kopf mit den Händen. Paula Wagner wandte sich den anderen Gästen und der Kellnerin zu, die die Szene schweigend, scheinbar kaum interessiert beobachtet hatten. »Was können Sie mir über Gunter Brock erzählen?« Schweigen. Paula Wagner schaute den Dicken an und hob leicht die Augenbraue. Der Dicke nippte an seinem Kölsch.
»Warum?«
»Weil er heute Morgen ermordet wurde. Jemand hat ihn an ein Kreuz genagelt.« Der Kellnerin zerbrach ein Glas in der Spüle. Das Wasser verfärbte sich rot, sie fluchte, holte die blutende Hand aus dem Wasser hervor und drückte ein Handtuch auf den Schnitt. Paula Wagner wollte ihr helfen, aber die Blondine schüttelte energisch den Kopf.
»An ein Kreuz genagelt«, echote einer der Trinker, ein weißblonder Riese in Jeans-Montur, der neben dem Dicken stand.
»Das war Gunter?« Der Kleinganove am Ende des Tresens wirkte aufrichtig betroffen. Dann herrschte eine Minute betretenes Schweigen. Paula Wagner wartete. Sie wusste, dass jeder der Männer mit sich rang und abwog, ob seine Betroffenheit oder sein Widerwillen, mit der Polizei zu tun zu haben, die Oberhand gewinnen würde.
»Wir wissen nichts«, entschied der Dicke. Sein weißblonder Kompagnon trank, schweigend zustimmend.
»Das war ein guter Kerl, der Brock.« Der Mann, der bisher noch gar nichts gesagt hatte, drehte sich nun zu Paula Wagner um. Er mochte um die 60 sein, ein hageres, ausgemergeltes Gesicht, schütteres braunes Haar, das vermutlich ein- oder zweimal zu oft gefärbt worden war. Paula Wagner konnte die grauen Strähnen am Haaransatz sehen.
»Haben Sie irgendeine Idee, wer ihm so etwas antun würde?« Der Gefärbte schüttelte den Kopf.
»Das war ein guter Kerl, der Brock«, wiederholte er.
»Streit konnte man schon mit ihm kriegen«, warf der Kleinganove ein.
»Na komm!« Die entrüstete Stimme der Bardame.
»Aber man hat sich immer wieder vertragen, stimmt schon«, ergänzte er. »Außer mit dem Verrückten, mit dem kam er gar nicht klar.«
»Gut, aber der spinnt auch.« Die Männer nickten und schwiegen wieder eine Weile.
»Welcher Verrückte?« Paula Wagner bohrte nach, sehnte sie sich vor ein paar Minuten noch nach ihrem Feierabend, packte sie nun der Jagdtrieb.
»Na, der Prediger.« Die Blondine kam ihren Gästen zu Hilfe. »Ein Spinner, aber harmlos. Kommt alle paar Wochen rein, besäuft sich und belästigt die anderen Gäste mit Bibelsprüchen.« Sie zuckte mit den Achseln. Paula Wagner hingegen schoss das Adrenalin durch den Körper.
»Hat dieser Prediger auch einen Namen?«
»Er nennt sich Matteo. Italiener, oder so. Ich glaube Matteo Lucca heißt er. Warten Sie, ich hab hier noch einen Deckel von ihm.« Die Bardame drehte sich zu den Regalen hinter der Theke um und streckte sich, um auf einer der oberen Ablagen nach einem Bierdeckel zu suchen. Die Männer schauten ihr unverhohlen auf den Arsch, Paula Wagner beobachtete ihre flinken Finger, die schließlich mit einem Deckel in der Hand hervorkamen. »Lucca heißt er, genau.«
»Matteo Lucca?« Die Bardame und die vier Männer an der Theke nickten. »Und wissen Sie vielleicht, wo dieser Matteo wohnt? Oder wo ich ihn finden kann?« Alle schüttelten mit dem Kopf. Paula Wagner bezahlte ihr Wasser gegen den leisen Protest der Bardame und verließ die Ponderosa. Das war eine Spur, wenn auch eine sehr vage. Sie versuchte Bergkamp zu erreichen, der jedoch sein Handy ausgestellt hatte. Feierabend vermutete sie. Sie fragte sich, was ihr Vorgesetzter wohl gerade tat. Ob er allein war? Dann wählte sie Volker Brandts Nummer. Der Gerichtsmediziner ging beim zweiten Klingen dran. Paula Wagner sagte nur ein Wort.
»Ficken?« Einen Augenblick später klappte sie das Handy zu, nickte zufrieden und ging zu ihrem Wagen.
21
Am nächsten Morgen stand Marius Sandmann in aller Frühe vor dem Eingang des Museums. Nachdem er einige Male energisch gegen die Scheibe geklopft hatte, kam eine der Angestellten zu ihm und öffnete missmutig die Glastür. Bevor sie noch etwas sagen konnte, ging Marius hinein und stand im Foyer.
»Zu
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