Kölner Kreuzigung
über die blank polierte Platte.
»Wir sollten uns nicht allzu sehr auf diesen Detektiv konzentrieren. Behalten Sie ihn im Auge, und durchleuchten Sie vor allem gründlich die Vergangenheit dieses Brocks. Was hat er früher angestellt? Für wen hat er gearbeitet? Gegen wen hat er ermittelt? Mit wem hatte er Umgang?«
»Da bleibt nach wie vor die Frage, warum Brock gekreuzigt wurde. Wer macht so etwas? Warum? Gab es ähnliche Fälle schon einmal vorher? Wir sollten uns auch mit dem Modus Operandi beschäftigen. Der ist nicht nur ungewöhnlich, jemanden auf diese Art zu töten ist auch aufwendig.«
»Ich weiß selber, dass das ungewöhnlich ist. Die Medien stürzen sich gerade auf diesen Fall. Und genau deswegen brauchen wir Ergebnisse. Und es könnte nicht schaden, wenn wir etwas Einfaches fänden, etwas, dass ein wenig Luft aus diesem Spektakel nimmt.«
»Wir sollten vor allem etwas finden, was uns der Wahrheit näher bringt.« Hannes Bergkamp senkte den Kopf bei Paula Wagners letzten Worten. Staatsanwalt Steins Blicke jedoch schienen sie aufzuspießen.
Zurück in ihrem Büro versuchten Wagner und Bergkamp mehr über Brocks Vergangenheit herauszufinden. Paula Wagner versuchte sich in das interne Online-System einzuloggen, bekam aber bei drei Versuchen drei Fehlermeldungen.
Sie fluchte lautstark, beim dritten Mal schlug sie so heftig mit der Faust auf den Tisch, dass die halbvolle Kaffeetasse neben ihrer Hand schepperte und einige Tropfen kalten Kaffees sich über ihre Tastatur verteilten. Was nur einen weiteren Fluch zur Folge hatte. Hektisch wischte Paula Wagner mit einem Papiertaschentuch ihre Tastatur sauber und tippte damit eine sinnlose Buchstabenfolge in die Maske für ihr Passwort ein.
Die vierte Fehlermeldung bedeutete eine Zugriffssperre für den Polizeicomputer. Jetzt musste sie einen Systemadministrator kommen lassen, der ihren Zugang wieder freischaltete. Es tröstete sie nur wenig, dass auch Bergkamps Rechercheversuche scheiterten. Das Online-System war down und sie war es auch.
Die beiden Polizisten blickten sich an und überlegten, wie sie die kommenden Stunden am sinnvollsten nutzen könnten. Paula Wagner versuchte als Erstes per Handy einen Systemadministrator zu erreichen. Erfolglos. Natürlich.
»Ich nehme mir diesen Detektiv noch einmal vor«, sagte sie und griff nach ihrem Mantel. Hannes Bergkamp widersprach, und sie wusste nicht, ob sie darüber eher überrascht oder mehr verärgert war.
»Befrag du die Nachbarn im Haus, ich kümmere mich um die Detektei.« Sie wusste, dass es sinnlos war, mit Bergkamp darüber zu diskutieren. Wenn er einmal eine Entscheidung fällte, dann ließ er sich davon kaum noch abbringen. Zum Glück entschied er wenig, dachte sie bei sich und fuhr zu Brocks Wohnung.
Ohne groß Überraschung zu zeigen, empfing Marius Sandmann Hannes Bergkamp. Er verzichtete auf Höflichkeitsfloskeln, auch der Polizist brachte sein Anliegen gleich zur Sprache. Dieses Mal lehnte es Marius zu Bergkamps Verärgerung ab.
»Netter Versuch, Herr Hauptkommissar. Sie müssten wissen, dass unsere Unterlagen vertraulich sind. Sie müssen schon mit einem richterlichen Durchsuchungsbefehl wiederkommen.«
»Sie wissen, dass ich den bekomme, und morgen, spätestens übermorgen wieder vor Ihrer Tür stehe.«
»Natürlich weiß ich das. Aber was glauben Sie, sagen unsere Klienten, wenn sie erfahren, dass ich der Polizei ohne richterliche Anordnung die Unterlagen unserer alten Fälle und die Dossiers für unsere Klienten mit teilweise doch sehr intimen Details zu lesen gebe? Sie halten mich vielleicht für einen Jungen, der ein bisschen Detektiv spielt und sich wichtig macht. Aber ich trage hier eine Verantwortung gegenüber unseren Kunden.« Mit diesen Worten schloss der Detektiv die Tür vor dem Hauptkommissar, der verärgert abzog. Verärgert nicht zuletzt, weil er wusste, dass Marius Sandmann im Recht war.
20
Paula Wagners Ausflug in die Glasstraße und das grau-weiß gekachelte Wohnhaus, in dem der Gekreuzigte gelebt hatte, dauerte länger. Einen Moment hatte sie vor dem Haus inne gehalten. Auch nach mehreren Jahren in Köln wunderte sie sich noch darüber, dass die Kölner ihre Häuser gerne kachelten wie andere Leute ihre Badezimmer. Tür für Tür ging sie das Treppenhaus ab. Sie dachte an das wesentlich elegantere Treppenhaus im Rheinauhafen, in dem sie vor ein paar Tagen die Nachbarn von Christian Alberti und Julia Stolz befragt hatte. Das schien schon wieder eine Ewigkeit her
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