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Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)

Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)

Titel: Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
Autoren: Stefan Keller
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überzeugt, dass Ali der Attentäter ist.«
    »Du warst seine Freundin. Du kennst
ihn besser.«
    »Wirklich?« Sie zog die Ärmel ihres
Mantels lang, sodass sie die Handrücken bedeckten, und schwieg einen Moment. Dann
fuhr sie fort. »Wir waren ungefähr sechs Monate zusammen. Ali war unglaublich charmant
und aufmerksam. Als ich ihn kennenlernte, wirkte er in seiner Höflichkeit, als gehörte
er zu einer ausgestorbenen Spezies. Ich habe mich gefühlt wie eine Prinzessin. Aber
wie alle charmanten Männer war er ein kleiner Macho.« Jetzt lächelte sie kurz und
blickte Marius verlegen an. »Dann haben wir uns getrennt. Vor sechs Wochen.«
    »Ihr wart nicht mehr zusammen?«
    Pia Eckstein schüttelte den Kopf,
ihre Locken unterstrichen die Bewegung scheinbar bestätigend.
    »Was ist passiert?«
    »Nichts. Es war einfach vorbei.«
Sie trank einen Schluck der warmen Flüssigkeit und schaute einer Gruppe Studenten
hinterher, die an ihnen vorbei die Treppe hinunterging und lachend dem Ausgang zustrebte.
»Manchmal gehen Beziehungen einfach zu Ende. Weil man nicht mehr fühlt, was man
am Anfang gefühlt hat.«
    »Hat sich Ali verändert? Ist er
anders geworden? Radikaler?«
    »Was Frauen angeht?«, fragte Pia
überrascht.
    »Eher was Religion betrifft.«
    »Er hat nicht viel mit mir über
Religion geredet. ›Lass uns nicht über so hässliche Dinge reden‹, hat er immer gesagt.
Und wir hatten wirklich andere Sachen im Kopf.« Sie grinste und schaute ihn frech
von der Seite an. Er ertappte sich dabei, dass ihm das nicht schlecht gefiel.
    »War er radikal in seinen Ansichten?
Schimmerte da manchmal etwas durch?«
    »Ali? Nein. Wenn du mich fragst:
Er hatte kaum konkrete Ansichten. Wahrscheinlich fühlt sich jeder, der zu einer
Minderheit gehört, irgendwann benachteiligt und ungerecht behandelt. So trägt jeder
seine Wut mit sich herum. Wir arbeiten hier im Studentenreferat …«
    »Du bist in der Studentenpolitik?«,
unterbrach Marius sie.
    »Ja, klar. Jedenfalls, wir haben
da viel mit Migranten zu tun. Da hörst du Geschichten, da denkst du, du lebst in
einem faschistischen Land. Jeder von denen trägt seine Wut mit sich herum. Nur können
sie manche besser kanalisieren.«
    »Warum?«
    »Weil man es ihnen beigebracht hat.«
    »Ihr Bruder wirkte nicht, als könnte
er seine Wut auf Ali Ökçan zügeln.«
    »Mein Bruder ist eben ein Mann.«
    »Und Männer äußern ihre Wut anders?«
    »Meistens.«
    »Ali auch?«
    Pia Eckstein war aufgestanden und
stellte sich vor Marius, sodass der Detektiv zu ihr aufschauen musste. Das diffuse
Licht, das durch die Eingangstüren fiel, schimmerte durch einige ungebändigte rote
Locken. »Du willst wissen, ob ich ihm zutraue, sich in einer Kneipe in die Luft
zu sprengen? Und sechs Menschen mit sich in den Tod zu reißen? Ob er so viel Wut
in sich hatte?« Marius nickte. »Nein, das bezweifle ich. Er nicht.«
    Ihr kurzes Zögern entging Marius
nicht. »Aber?«
    »Was – aber?«
    »Du wolltest noch etwas sagen.«
Pia Eckstein zog ein klein wenig die Mundwinkel herunter. Sie fühlte sich ertappt.
    »Ali hatte einen Freund. Ich habe
ihn nur ein oder zwei Mal getroffen. Ein ziemlicher Schwätzer, dachte ich. Doch
irgendwann fing Ali an, seine Thesen zu wiederholen. Gelegentlich. Freilich, ohne
sie wirklich zu glauben«, schob sie rasch hinterher. »Du kennst das: Eigentlich
habe ich nichts gegen dies und jenes, aber …«
    »War Ali leicht zu beeinflussen?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Könnte dieser Freund etwas mit
eurer Trennung zu tun gehabt haben?«
    Energisch schüttelte Pia Eckstein
den Kopf. »Du solltest wissen: Ich habe mich von ihm getrennt.« Sie schaute auf
ihre zierliche, silberne Armbanduhr. »Es ist Zeit. Mein Seminar geht gleich los.«
    »Hatte dieser Freund einen Namen?«
    »Tut mir leid, kenne ich nicht.
Laut Ali hing er die ganze Zeit in irgendeiner Moschee ab. An der Oskar-Jäger-Straße.
Mehr weiß ich leider nicht.« Sie streckte Marius die Hand hin, schulterte ihre Tasche
aus rotem Kunstleder und ging. Marius blickte ihr nach, wie sie das Gebäude verließ,
anstelle den Weg zu den Seminarräumen zu wählen. Interessant. Marius würde das Gespräch
zu gegebener Zeit fortsetzen. Ali Ökçan jedenfalls schien für jeden, den er kannte,
ein anderes Bild seiner selbst parat gehabt zu haben. Eins für die Familie, eins
für die Kumpels, eins für die Freundin. Und möglicherweise ein weiteres für den
geheimnisvollen Freund mit den islamistischen Thesen.
     
    Etwas unschlüssig
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