Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
schlecht sitzende Jeans zurecht und ging zu einem
Schrank neben dem Fenster, das einen hübschen Blick in einen leicht verwilderten
Stadtgarten bot. Regen prasselte gegen das Fenster. Schmalenbach holte ein Notizbuch
und ein paar Papiere aus dem Schrank und legte alles auf den Tisch.
»Am 11. November war ich in Paris.
Ironischerweise. Hier haben Sie meinen Terminkalender, die Flugbuchung, die Hotelrechnung
und ein paar Quittungsbelege.« Jedes Blatt legte er einzeln vor Marius auf den Tisch,
der alles sorgsam betrachtete. Die Geschichte Schmalenbachs stimmte. Er war in Paris
gewesen, und da die Bombe keinen Zeitzünder besessen hatte, schied er als Täter
aus.
»Können Sie sich vorstellen, dass
jemand anders aus dieser Zeit die Bombe gelegt hat?«
»Nein, das halte ich für ausgeschlossen.
Wir waren keine große Gruppe, und von denen, die noch leben und nicht im Knast sitzen,
bin ich der Einzige, der weiß, dass Hans wieder aufgetaucht ist.«
»Sind Sie sich sicher?«
»Absolut. Sie doch auch!«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Wären Sie vorher bei einem der
anderen gewesen, hätte ich es erfahren.«
»Ich könnte doch bei Ihnen angefangen
haben.«
»Es gibt interessantere Charaktere,
die eher dafür infrage kämen als ich. Ich bin nur selten erste Wahl.«
Insgeheim musste Marius Schmalenbach
recht geben. Er war tatsächlich die einzige vielversprechende Spur aus der Vergangenheit
des Wirts gewesen und wie es schien, war es eine kalte Spur.
18
Nachdem Sebastian Jansen das Büro verlassen hatte, schellte Paula Wagners
Telefon. Erleichtert über die Ablenkung nahm sie ab.
»Haben Sie mit Dennis schon gesprochen?«,
fragte eine unsichere Stimme am anderen Ende. Anita Frings schien eine Heidenangst
vor ihrem Freund zu haben. Angst genug, um Paula noch etwas zu sagen? Die Kommissarin
entschied sich für eine Lüge.
»Nein, haben wir noch nicht. Aber
das werden wir sicher bald tun.« Dann schwieg sie.
»Mhm«, antwortete das Mädchen nur.
Paula sah sich nicht genötigt, die Stille zu unterbrechen. Geduldig wartend malte
sie ein Strichmännchen auf ihren Notizblock. Stück für Stück ergänzte sie das Bild,
während sie schwieg und Anita Frings schmoren ließ, um einen Fluss und eine Kaimauer.
Nun sah es aus, als fiele das Strichmännchen ins Wasser. Sie vollendete es mit einem
großen Fragezeichen am Rande des Wassers. »Mir ist da vielleicht noch etwas eingefallen«,
sagte die Nageldesignerin schließlich.
»Erzählen Sie!«, ermunterte sie
Paula.
»Das ist vielleicht am Telefon nicht
so gut«, druckste Anita herum. »Können Sie nicht herkommen? Ins Studio?«
»Lohnt es sich?«
»Ihren Nägeln könnte es nicht schaden.«
Manchmal schaffte es Anita Frings tatsächlich, Paula Wagner zu beeindrucken, und
es brauchte nicht lange, um Hauptkommissar Hannes Bergkamp von einem neuerlichen
Besuch bei der jungen Frau zu überzeugen.
Der Besuch war kurz, aber hatte
sich gelohnt. Zurück im Wagen fluchte Paula ausgiebig, was ihrem Fahrstil nicht
guttat, wie Hannes Bergkamps verkrampfte Hand am Haltegriff zeigte. »Wir haben seit
Tagen einen toten Jungen im Rhein, wir haben Kollegen, die mit diesem Jungen Ärger
haben und wir wissen nichts davon! Was soll das?«
»Vielleicht haben die Kollegen den
Zusammenhang nicht gesehen?«
»Den Zusammenhang nicht gesehen?«
Paula bretterte über die rote Ampel am Ehrenfeldgürtel, eine Straßenbahn bimmelte
zornig hinter ihr her. »Selbst Streifenpolizisten sollten einen Zusammenhang zwischen
einem auffälligen Jungen und einem Toten im Rhein herstellen können. Unser Direktor
faselt doch immer von Transparenz. Jetzt haben wir sie und die Leute schnarchen
einfach weiter.« Bergkamp wollte noch etwas sagen, aber Paula nestelte in voller
Fahrt bereits ihr Handy aus der Handtasche. Überrascht schaute sie auf ihr Display.
Der Privatdetektiv Marius Sandmann hatte zweimal angerufen und eine Nachricht hinterlassen.
Aber sie hatte keine Zeit für Sandmann. Stattdessen tippte sie die Nummer des Kommissariats
ein und erwischte einen der jüngeren Kollegen.
»Ich brauche die gesamten Polizeiberichte
vom 11. November. Und zwar in zehn Minuten.« Sie beendete das Gespräch und stieg
aufs Gas.
Im Büro lagen nicht nur die Polizeiberichte des 11. November für sie
und Hannes Bergkamp bereit. Daneben fand die Kommissarin auf ihrem Schreibtisch
eine gelbe Plastikbox, in der ein in einer schwarzen Hülle verpackter Gegenstand
und ein brauner DIN-A5-Umschlag steckten.
Die Kiste
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