Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
bezweifelte, dass sie allein aufgrund eines braunen
Flecks die Forensiker zu einem Ausflug an den Rhein bewegen konnte. Sie versuchte,
die Mauer hinunterzuschauen, konnte aber keine weiteren Hinweise entdecken. Auch
an der schweren Eisenkette, die am Kai herunterhing, sah sie zunächst nichts. Dann
jedoch entdeckte sie kurz unter der dunkelgrünen Wasseroberfläche etwas Schwarzes,
das sich offenbar an der Kette verfangen hatte. Es sah aus wie ein Stück Stoff,
und sie erinnerte sich, dass Peter Kopf keine Jacke getragen hatte, nur Jeans und
Pullover, als er in Mülheim ans Ufer geschwemmt worden war. Ziemlich luftig für
diese Jahreszeit. Konnte das da unten seine Jacke sein? Sie schaute rechts und links,
es gab keine Möglichkeit, direkt ans Wasser zu gelangen. Sie musste Hilfe holen.
Sie brauchte Hannes Bergkamp.
Nach einem tiefen Atemzug drückte
sie seine Handynummer in ihrem Kurzwahlspeicher. Der Hauptkommissar ließ sich Zeit,
ans Telefon zu gehen.
»Paula, wo steckst du? Ich habe
dich schon vermisst.«
Mit wenigen Worten erklärte sie
ihrem Chef, wo sie war. Einen Moment herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung.
»Du bist dir sicher, dass es Peter
Kopfs Jacke ist?«
»Absolut. Sie sieht aus, wie seine
Mutter die Jacke beschrieben hat.« Das war gelogen. Inzwischen fiel Paula Wagner
das Lügen bedenklich leicht, wenn es ihren Ermittlungen diente. Manchmal fragte
sie sich, ob das nicht gegen irgendeinen Ehrenkodex, irgendein moralisches Gesetz
verstieß – zu lügen, um die Wahrheit herauszufinden.
»Ich gebe den Kollegen von der Wasserschutzpolizei
Bescheid. Kommst du jetzt ins Büro?«
»Ich würde lieber hier bleiben und
auf die Kollegen warten.«
»Das kann dauern.«
»Das macht nichts.« Sie legte auf.
Und wartete.
Paula verharrte eine geschlagene Stunde am Ufer des Rheins, ehe zwei
Mitglieder der Wasserschutzpolizei in einem leichten Boot heranfuhren, einer von
ihnen mit einem Enterhaken die Jacke von der Kette fischte und in einen Plastiksack
packte. Als das Boot abdrehte, wählte Paula Schlüssels Nummer.
»Herzlichen Glückwunsch, du hast
deine Wette gewonnen.«
»Natürlich habe ich das.«
»Könntet ihr eventuell ein Team
schicken, das sich am Ufer ein paar Sachen anschaut? Wir haben wahrscheinlich Peter
Kopfs Jacke, und an einem der Pfosten hier könnte Blut kleben.«
»Mach dir keine großen Hoffnungen,
dass wir da noch etwas Brauchbares finden.«
Es dauerte weitere zwei Stunden,
ehe Paula Wagner alle ihre Beweise gesichert wusste und endlich wieder im warmen
Büro saß. Hannes Bergkamp sah sie ohne viel zu sagen interessiert an. Auf ihrem
Schreibtisch hatte er einige Unterlagen abgelegt, von denen sie wusste, dass sie
sie schon längst hätte abarbeiten müssen. Ehe sie anfangen konnte, musste sie niesen.
»Erkältung?«, fragte Bergkamp besorgt.
»Zu lange draußen gewesen«, antwortete
Paula Wagner.
»Hoffen wir, dass es sich gelohnt
hat.«
Paula hoffte das ebenfalls. Ungeduldig wartete sie auf den Bericht
aus der Forensik. Als es schließlich an der Tür klopfte, erlebte sie allerdings
eine böse Überraschung. Ohne eine Antwort abzuwarten, stürmte der Leiter des Rechtsmedizinischen
Instituts in den Raum. Noch bevor Paula oder Hannes Bergkamp zu einer Begrüßung
ansetzten konnten, stand Brandt bereits in der Mitte des Raumes und brüllte lautstark:
»Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind, Kommissarin Wagner? Mit welchem Recht
schicken Sie meine Mitarbeiter in eine von mir nicht genehmigte Nachtschicht? Spinnen
Sie jetzt völlig?«
Paula setzte an, um etwas zu erwidern,
doch Volker Brandt hatte nur kurz Luft geholt.
»Und Sie, Herr Hauptkommissar Bergkamp,
lassen es zu, dass Ihre Mitarbeiterin Ihnen auf der Nase herumtanzt und den Dienstweg
mit Füßen tritt?«
Zu ihrer Überraschung sah Paula
Hannes Bergkamp bei diesem Satz schmunzeln. Sprachliche Fehltritte bereiteten ihm
immer ein gewisses Vergnügen.
»Meine«, Brandt betonte dieses Wort
sehr deutlich, »Mitarbeiter schicke ich los! Ich oder der diensthabende Leiter des
Instituts! Sonst niemand! Ich werde mich über Sie, über Sie beide beschweren, darauf
können Sie sich verlassen!«
Brandt stürmte aus dem Büro und
ließ zwei perplexe Polizeibeamte und einen Hauch von Kenzo Rasierwasser zurück.
»Das war kein Meisterstück von dir«,
sagte Hannes Bergkamp in die Stille hinein. Paula erwiderte nichts, sie hing bereits
am Telefon und nach einer Weile meldete sich am anderen Ende Marlon
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