Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
stammte aus dem Rechtsmedizinischen
Institut, wie der Eigentümerstempel auf der Seite und der Adressaufkleber auf dem
Umschlag verrieten. Paula blätterte zunächst die Berichte vom Sessionsauftakt auf
dem Heumarkt durch. Nirgendwo stieß sie beim Überfliegen auf den Namen des ertrunkenen
Peter Kopf. Sie würde sich die Berichte in Ruhe durchlesen müssen. »Wir müssen die
Kollegen finden«, schlug Paula vor.
»Welche Kollegen?«
»Na die, mit denen Peter Kopf auf
dem Heumarkt Ärger hatte.« Paula Wagner hielt die Berichte hoch, die sie neben der
Box auf ihrem Schreibtisch gefunden hatte. »Irgendwo in diesem Stapel muss doch
erwähnt sein, dass da etwas vorgefallen ist und vielleicht haben sie noch etwas
beobachtet, das uns weiterhilft.«
Sie reichte ihrem Chef die eine
Hälfte des Stapels und vertiefte sich in die andere. Mit dem Finger auf den Seiten
suchte sie nach Vorfällen auf dem Heumarkt. Sie war überrascht. Die Presse hatte
sich in ihrer Tagesberichterstattung auf den Anschlag im ›Treuen Husar‹ konzentriert.
Ansonsten, hatte es geheißen, sei der Sessionsauftakt friedlich gewesen wie selten.
Doch die schiere Anzahl der Berichte in ihrer Hand zeichneten ein anderes Bild.
Die Kollegen aus dem Streifendienst klagten schon seit Langem über einen Anstieg
der Übergriffe. Ihr war bereits aufgefallen, dass der Respekt gegenüber der Polizei
nachgelassen hatte. Als sie ein Kind war, war der Polizist im Dorf eine Autoritätsperson
gewesen, heute schien das nicht mehr so zu sein. Sie war sich allerdings nicht sicher,
ob das nicht vielleicht ein Fortschritt war. Dennoch erschreckte sie nicht nur die
Zahl, sondern auch die Art der Gewalt, die die Berichte schilderten. Sie schaute
zu Hannes Bergkamp hinüber, sein regungsloses Gesicht ließ keine Schlüsse darüber
zu, ob er das ähnlich empfand. Früher schlug man sich mit der Faust ins Gesicht,
heute schien es, als verlören die Leute völlig die Kontrolle, wenn sie hinlangten.
Sie schüttelte die negativen Gedanken ab und konzentrierte sich darauf, die Berichte
herauszufiltern, die am Heumarkt aufgenommen worden waren. Das waren immer noch
genug. Laut Kopfs Freunden waren sie am Nachmittag am Heumarkt gewesen und dort,
so Anita Frings, hatten sie Ärger mit der Polizei. Paula sortierte die Berichte
aus, die Ereignisse am Nachmittag schilderten, nur wenige Stunden, bevor in der
Südstadt eine Bombe explodierte und diesen Karneval völlig verändert hatte. Ihr
Handy klingelte, sie blickte genervt auf das Display, Marius Sandmann. Sie drückte
ihn weg. Der Privatdetektiv konnte warten. Sechs Aktenvermerke waren es schließlich,
die sie sich näher anschaute, weil sie in die fragliche Zeit passten und mehr als
eine Person beteiligt war. Von den sechs schieden vier aus, weil die Beamten die
Personalien der Täter aufgenommen hatten. Vielleicht würde Paula Wagner dort noch
einmal nachbohren, eventuell ergab sich eine Spur. Einen weiteren Bericht legte
sie beiseite, weil es um eine Schlägerei zwischen zwei Jugendgruppen ging, die beide
flohen, als die Polizei anrückte. Blieb ein Bericht über eine Rangelei zwischen
Polizisten und feiernden Jugendlichen. Offenbar wollten die Beamten die Jugendlichen
des Platzes verweisen, nachdem sie andere Feiernde angepöbelt und provoziert hatten.
Außerdem hatten sie gegen das zwei Tage zuvor per Eilbeschluss vom Oberverwaltungsgericht
Münster bestätigte Verbot verstoßen, an den Karnevalstagen Glasflaschen mit in die
Innenstadt zu nehmen. Es kam zu einer kleinen körperlichen Auseinandersetzung, als
sich die Jugendlichen der Aufnahme ihrer Personalien entziehen wollten. Dies gelang
ihnen sogar, zu Paulas Erschrecken mit der Hilfe umstehender und eigentlich unbeteiligter
Personen. Schließlich hatten die Jugendlichen das Feld geräumt. Allerdings – nicht
ohne die Polizisten von der Gürzenichstraße aus gezielt mit mehreren Flaschen zu
bewerfen. Dabei landeten sie mehrere Treffer, zwei der Beamten trugen leichte Verletzungen
davon. Ihre Namen waren auf dem Bericht vermerkt. Mit ihnen würde Paula als nächstes
reden.
Schließlich war ihre Neugier auf
den Inhalt der Kiste doch größer, sogar noch größer als ihr Unbehagen, fürchtete
sie insgeheim, dass Brandt ihr ein Ei ins Nest legen wollte, dass ihr nicht gefallen
würde. Vorsichtig öffnete sie die Plastikhülle und zog die schwarze, inzwischen
trockene Jacke heraus, die sie aus dem Rhein gefischt hatten. An einigen Stellen
entdeckte sie kleine Verschmutzungen
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