Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
Bürostuhl. »Soll ich den Vorfall
melden?«
»Das mache ich schon«, antwortete
Paula. Fürs Erste war es besser, keinen großen Wind um die Sache zu machen.
»Es könnte sonst Ärger geben«, antwortete
Karsten. »Sie sind verpflichtet, Ihren Computer mit einem Passwort zu schützen.
Und das sollten Sie schleunigst nachholen.«
Paula versprach ihm das. Sie hatte
augenblicklich ohnehin genug Ärger.
Irgendwann hatte ihn die Müdigkeit übermannt. Nach dem Gespräch mit
dem Unbekannten hatte Marius all seinen Mut zusammengenommen und so lange herum
gebrüllt, bis man ihm erlaubt hatte zu telefonieren. Danach hatte man ihm die Handfesseln
wieder angelegt. »Sicher ist sicher«, hatte der Beamte Marius’ Protest beschieden.
Nun döste er, die Hände auf dem Rücken, das Kinn fast auf der Brust, vor sich hin.
Ein Poltern an der Tür und laute Stimmen weckten ihn aus wenig erfreulichen Träumen.
Die Tür wurde aufgerissen und eine Parfümwolke strömte in den Raum hinein. Eine
weibliche Stimme erklärte lautstark: »Ich nehme Herrn Sandmann jetzt mit und Sie
werden mich nicht davon abhalten können. Das wissen Sie sehr genau!«
Marius hörte Goldbergs Stimme, konnte
aber nicht verstehen, was der BKA-Mann auf dem Flur zu der Frau sagte.
Die Schritte der Frau verharrten,
offenbar drehte sie sich zu Goldberg um. »Entweder so oder in zwei Stunden auf Anweisung
eines Richters! Überlegen Sie es sich! Ich wüsste, was ich an Ihrer Stelle vorziehen
würde.«
Eine voluminöse Frau Anfang 40 mit
rot gefärbten Haaren und einem knallig orangen Tuch über einer Art blauen Umhang
beugte sich zu Marius hinunter. Ungeniert packte sie sein Gesicht und betrachtete
es von allen Seiten. »Haben Sie sich diese Verletzungen während Ihrer Festnahme
hier zugezogen?« Die Frau wandte sich zu Goldberg, den Marius nun ebenfalls im Raum
vermutete, aufgrund der alles schluckenden Präsenz dieser fremden Frau jedoch nicht
wahrnehmen konnte. »Wenn er jetzt nickt, nehme ich Sie dermaßen auseinander, dass
die Kollegen in Wiesbaden Sie mit der Pinzette wieder zusammensetzen müssen! Und
befreien Sie den Mann endlich von seinen Fesseln, Herrgottverdammtnochmal!«
Eilige Schritte und ein kurzes Reißen
an den Händen signalisierten Marius, dass ihrer Aufforderung Folge geleistet wurde.
Der Detektiv rieb sich die schmerzenden Handgelenke, dunkelrote Striemen zogen sich
um die Stellen, wo die Fesseln über Stunden gesessen hatten. Die Frau griff beide
Hände des Detektivs. »Oh, oh, oh! Das sieht gar nicht gut aus. Wir sollten als Allererstes
einen Arzt aufsuchen, der Sie gründlich untersucht. Ich bin übrigens Heike Schleusser,
die Rechtsanwältin der Familie Ökçan. Ihr Klient schickt mich.« Als sie ihren Namen
sagte, schaute der Detektiv sie überrascht an. Noch etwas unsicher erhob er sich
aus dem Stuhl. Die Anwältin stützte ihn, nahm Marius’ Jacke und seine Tüten, die
alle auf dem Sideboard lagen, und führte den Detektiv an dem schweigenden Goldberg
und drei weiteren Polizisten, die Marius’ nicht kannte, vorbei, hinaus auf einen
fensterlosen Flur.
»Mein Laptop«, sagte Marius als
Erstes. Schleusser blickte einen der Uniformierten auffordernd an, der schaute zu
Goldberg, der nickte, dann rannte der Beamte den Flur hinunter und kam kurze Zeit
später mit Marius’ Notebook zurück. Marius wandte sich zum Gehen, doch die Anwältin
hielt ihn zurück.
»Sie sollten Ihre Daten überprüfen«,
sagte sie und deutete auf einen kleinen Tisch, der gegenüber vor einem anderen Büro
stand. Marius tat, wie ihm geheißen, und fuhr den Laptop hoch. Die Beamten bauten
sich drängend neben ihm auf, Heike Schleusser hielt sie in Schach. »Nehmen Sie sich
alle Zeit, die Sie brauchen. Sie sind jetzt in Sicherheit.« Fast schon provozierend
blickte sie die Polizisten an. Der Detektiv überprüfte kurz die wichtigsten Dokumente.
Alles war an seinem Platz. Er nickte der Anwältin zu und schaltete den Computer
aus. Gemeinsam mit der Frau verließ er das Gebäude und fand sich auf einem großzügigen,
exzellent gesicherten Freigelände an der Brühler Landstraße wieder. Die Anwältin
führte Marius zu einem gelben Volvo. Als sie den Wagen aus der Parklücke lenkte,
sah er hinter einem Fenster im dritten Stock den Weißhaarigen. Er deutete hoch.
»Kennen Sie den Mann da oben im
dritten Stock?«
Die Anwältin beugte sich weit nach
vorn, um aus dem Fenster schauen zu können. Der Unbekannte gab sich keine Mühe,
sich zu verstecken. Schließlich
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