Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
schaute die Anwältin Marius an. »Nein, den habe
ich noch nie gesehen. Wieso?« Marius erzählte ihr kurz von der Begegnung, während
sie das mit einem weißen Metallzaun und hohem NATO-Stacheldraht umgebene Gelände
verließen.
An der Auffahrt zum Militärring
reihten sich Wohnwagen an Wohnwagen. Manche waren verschlossen, in den Türen anderer
standen nicht mehr ganz junge, leicht bekleidete Frauen und schauten gelangweilt
dem wenigen Verkehr zu. Marius fragte sich, ob der Kölner Straßenstrich wohl bewusst
die Nähe des Militärischen Abschirmdienstes gesucht hatte.
»Immer wieder ein interessanter
Anblick, nicht wahr?« Marius fühlte sich ertappt. »Ihre Daten waren okay?«, ging
die Rechtsanwältin nicht näher auf das Thema ein.
»Es scheint alles in Ordnung zu
sein. Ich weiß natürlich nicht, was die da drinnen alles kopiert haben.«
»Die werden ein komplettes Back-up
gemacht haben. Ohne Zweifel.«
27
Ihre Fahrt ging über den Militärring, den Bonner Verteilerkreis und
ein Stück der Autobahn 555 nach Rodenkirchen und endete in der Auffahrt zu einem
einstöckigen, freistehenden Haus in einem eigentümlichen Mix aus Landhausstil und
toskanischer Villa. Zwei mächtige Erker begrenzten das Dach wie Wachtürme zu beiden
Seiten. Schleusser stoppte ihren Volvo hinter dem silbernen Mercedes Mustafa Ökçans.
Schon als sie ausstiegen, öffnete der Hausherr die Tür, nickte Heike Schleusser
respektvoll zu und gab Marius Sandmann die Hand. Ohne weitere Fragen zog die Rechtsanwältin
ihre Schuhe aus und schlüpfte in ein Paar der zahlreich bereitstehenden Pantoffeln.
Marius folgte ihrem Beispiel, dann bat ihr Gastgeber, dessen eigene Pantoffeln einen
merkwürdigen Kontrast zu seinem teuren, leicht glänzenden Brioni-Anzug bildeten,
sie ins Wohnzimmer. Dort saß seine Frau auf einer cremefarbenen Sofagarnitur und
erhob sich, um die Anwältin und den Detektiv ihrerseits zu begrüßen.
Gemeinsam nahmen sie auf dem Sofa
Platz, das Ehepaar Ökçan in der Mitte, Marius und Heike Schleusser auf den Sesseln
rechts und links davon. Eine schweigsame Hausangestellte servierte Tee und Gebäck.
Erst jetzt wurde Marius klar, wie wenig er in den letzten Stunden gegessen und getrunken
hatte. Dennoch hatte er Hemmungen, sich allzu großzügig zu bedienen. In einem nicht
mehr ganz frisch riechenden Kapuzenshirt und Jeans, müde und ungewaschen, fühlte
er sich deplatziert und nicht unbedingt wohl in dem gediegenen, Reichtum ausstrahlenden
Ambiente des Ökçan’schen Heims.
Heike Schleusser hingegen bediente
sich ohne jede Hemmung am angebotenen Gebäck, und Marius lauschte schweigend ihrem
souveränen Small Talk mit ihren Gastgebern, während er den Blick schweifen ließ.
Er betrachtete das glänzend polierte Fischgrätenparkett und die zahlreichen schweren
orientalischen Teppiche darauf, sowie die modernen, in jede gehobene Villa passenden
Sofamöbel inklusive des komplett aus Marmor gefertigten Couchtisches. Die hellgelb
gestrichenen Wände mit den falschen, weiß abgesetzten Stuckverzierungen entsprachen
dem, was Marius vom äußeren Erscheinungsbild der Villa erwartet hatte. Die beiden
antiken Schränkchen am anderen Ende des Wohnzimmers jedoch waren eher untypisch
in ihren reichen, ornamentalen Verzierungen. Gleiches galt für die Bilder an der
Wand, kitschige, in kräftigen Farben gemalte Landschaften – idealisierte Vorstellungen
einer ländlichen, orientalischen Kultur. Während Heike Schleusser und Gönmez Ökçan
sich weiter unterhielten, bemerkte Marius, dass Mustafa Ökçan ihn aufmerksam und,
wie ihm schien, mit einem leicht spöttischen Lächeln musterte.
»Als Kunsthistoriker würden Sie
bei unseren Bildern wahrscheinlich am liebsten die Hände über dem Kopf zusammenschlagen,
nicht wahr?«
Die beiden Frauen beendeten ihr
Gespräch und wandten sich den Männern zu. Marius bemühte sich um ein Lächeln und
antwortete mit einer Gegenfrage. »Woher wissen Sie, was ich studiert habe?«
»Wie Sie informiere ich mich gerne
über die Leute, die für mich arbeiten. Nehmen Sie Rechtsanwältin Schleusser hier.
Sie hat mir ihre Hilfe in dieser furchtbaren Geschichte angeboten, und nachdem ich
gesehen habe, wen sie zuvor vertreten hat und was für eine Person Frau Schleusser
dabei sein kann, habe ich nicht gezögert.«
»Ihre Kämpfernatur habe ich bereits
kennenlernen dürfen.«
»Zu Ihrem Glück, möchte ich meinen«,
warf die Anwältin in die Runde. Marius nickte. Ökçan fuhr fort mit seiner Geschichte.
»Ich
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