Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
Sandmann
kramte in der Tasche und zog schließlich einige Kleidungsstücke, ein T-Shirt und
Shorts heraus. Es waren doch keine Lappen gewesen. Außerdem reichte er ihr eine
Stablampe, die im elektrischen Licht der Wohnung jedoch völlig unauffällig wirkte.
Zum Schluss legte er noch zwei Hantelstangen auf den gläsernen Couchtisch.
»Das ist alles?«
»Für mehr blieb mir keine Zeit.
Und du meinst, das hilft dir weiter?«
»Ich hoffe es. Was machen wir mit
deinem Auto?«
»Gute Frage. Wahrscheinlich hole
ich das morgen früh ab.«
»Wir könnten jetzt hinfahren.«
»Wenn da noch Polizei unterwegs
ist, könnte das zu unangenehmen Fragen führen. Vor allem, wenn Maassen, Schweller
oder Lembach ebenfalls vor Ort sind.«
»Warum? Du warst beim Kurs und bist
dann mit einem Bekannten noch etwas trinken gewesen.«
»Ich war nicht beim Kurs. Es erschien
mir klüger, den dreien erst gar nicht über den Weg zu laufen. Zumal es sie sicher
misstrauisch gemacht hätte, wenn ich zu spät zum Kurs komme oder früher gehe und
Maassen anschließend sein Auto aufgebrochen vorfindet.«
»Vielleicht. Nur wie erklärst du
jetzt, dass dein Wagen auf demselben Parkplatz geparkt war?«
»Ich weiß es noch nicht.«
»Kennen Maassen und seine Kumpel
deinen Renault?«
»Keine Ahnung!«
Schließlich ließ sich Marius überzeugen, mit Paula Wagner nach Nippes
zu fahren und zu schauen, ob er sein Auto abholen konnte. Den Schulhof tauchte ein
künstlicher Strahler in ein fast weißes Licht. Marius sah Maassen und Schweller
mit zwei Kollegen reden, während vier weitere Beamte nach Spuren suchten. Unauffällig,
sich ans Tempolimit der 30er-Zone haltend, lenkte die Kommissarin ihren Civic an
drei Streifenwagen vorbei, die mit leuchtendem Blaulicht die halbe Straße blockierten.
In den Fenstern gegenüber war wesentlich mehr Leben als ein paar Stunden zuvor.
»So viel Aufmerksamkeit kriegt man
normalerweise nicht für ein aufgebrochenes Auto«, kommentierte Paula Wagner das
Geschehen. Doch Marius Sandmanns Aufmerksamkeit galt etwas anderem. Ein Polizist
stand neben seinem Renault, zückte Stift und Papier, ging um den Wagen herum und
notierte sich das Kennzeichen.
Wieder zu Hause schwieg Paula Wagner. Sie wärmte zwei Fertigbaguettes
in der Mikrowelle auf, nachdem Marius von dem einen das festgefrorene Fleisch abgesäbelt
hatte. Gemeinsam standen sie in der kleinen Küche und aßen. Schließlich hielt Paula
die Stille nicht mehr aus.
»Ich hätte dich da nicht mit hineinziehen
dürfen.«
Marius, der gerade in sein Baguette
biss und die linke Hand darunter hielt, um keine Krümel fallen zu lassen, antwortete
mit vollem Mund. Er war hungrig. »Wen hättest du sonst fragen sollen?«
»Ich hätte mir mehr Gedanken über
die möglichen Folgen machen sollen.«
Marius schluckte den letzten Bissen
des Baguettes hinunter, wusch sich am Spülbecken die Hände und drehte sich zu ihr
um.
»Ich habe keine Wohnung, mein Büro
ist verwüstet und ich wäre fast bei einem Bombenanschlag ums Leben gekommen. Zynisch
betrachtet könnte mir nichts Besseres passieren, als wegen Autodiebstahls ins Gefängnis
zu wandern. Ein Dach überm Kopf, etwas zu essen und garantiert kein Sprengstoff.«
»Du bist kein zynischer Mensch.«
Der Detektiv dachte einen Moment
nach. »Vielleicht müssen wir deswegen Autos aufbrechen, um der Wahrheit ein Stück
näher zu kommen.«
Wieder im Wohnzimmer richtete sich
Marius Sandmann die Couch als Schlafstatt her, Paula kam mit ein paar frischen Handtüchern
ins Wohnzimmer, das in den nächsten Tagen wahrscheinlich Marius Sandmann bewohnen
würde. Die grünweiß gestreiften Handtücher zwischen ihnen, standen sie einander
schweigend gegenüber.
»Brauchst du noch irgendetwas?«
Marius zögerte. In der Stille hörten
beide den Atem des anderen. Dann schüttelte der Detektiv den Kopf. »Ich glaube nicht,
danke.« Er nahm die Handtücher und legte sie auf den Couchtisch. Paula Wagner nickte
und schloss beim Hinausgehen die Tür ihres Wohnzimmers.
Als sie zehn Minuten später aus
dem Bad herauskam, sah sie durch die Milchglasscheibe der Wohnzimmertür die Silhouette
des Detektivs auf dem Boden Liegestütze machen. Das erste Mal, seitdem sie Marius
Sandmann kannte, fragte sie sich, ob dieser Sportwahn vielleicht eine Strafe war.
Und falls ja, wofür wollte sich Marius Sandmann bestrafen?
32
Als Paula am nächsten Morgen erwachte, hatte Marius Sandmann die Wohnung
bereits verlassen. Sie hielt sich selbst nicht für
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