Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
lassen. Am Telefon
hatte Helena Schuster nicht geklungen, als würde sie mit einem Privatdetektiv reden
wollen. Nur ein Missverständnis hatte ihm zu ihrer Einwilligung verholfen und jetzt
verzichtete er darauf, dieses Missverständnis aufzuklären. Er hatte Verena gerade
noch davon abhalten können, ihn am Rastplatz zu treffen, obwohl es vielleicht keine
schlechte Idee gewesen wäre, die Journalistin dabei zu haben. Zumindest Rolfs Vater
würde mit Sicherheit bereitwilliger erzählen. Anders als seine Frau beteiligte er
sich nicht am Gespräch und blickte stattdessen in den Garten, wo ein schwarzbrauner
Rauhaardackel schnüffelnd durch die Beete streifte. Marius ließ den Blick durch
das Wohnzimmer gleiten. Auf dem Board einer Schrankwand standen mehrere gerahmte
Fotos von Rolf Schuster. Die Frau bemerkte seinen Blick.
»Schauen Sie ruhig«, ermunterte
sie ihn. »Das ist unser Rolf!« Der Stolz in ihrer Stimme war unüberhörbar. Mit Mühe
wuchtete sich Marius aus dem weichen Sessel und betrachtete die Bilder. Schuster
trug auf fast allen eine Uniform, ganz links einen eleganten, dunkelblauen Waffenrock,
auf den übrigen Bildern, die offenbar bei Einsätzen gemacht worden waren, Feldkleidung.
Marius versuchte in den Augen auf den Bildern zu lesen: Auf den meisten Fotos sah
er einen sympathischen, fröhlichen jungen Mann. Auf anderen jedoch versteckte er
seine Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille. Marius setzte sich wieder und hörte
sich eine Weile die Begeisterung Helena Schusters an, wie sie über ihren Sohn erzählte.
Sogar ihr Mann taute im Verlauf des Gesprächs auf.
»Wissen Sie denn, wo Ihr Sohn sich
gerade aufhält?«
Die beiden schauten sich kurz an.
»Nein, das wissen wir öfter nicht. Es ist halt vieles geheim, verstehen sie? Manchmal
hören wir wochenlang nichts von ihm.«
»Machen Sie sich nicht manchmal
Sorgen, wenn Sie so lange kein Lebenszeichen von ihm bekommen?«, fragte Marius und
verfluchte sich wegen seiner Wortwahl.
Das Paar ihm gegenüber auf dem Sofa
rückte enger zusammen. Der Mann drückte die Hand der Frau dabei fest. »Früher, früher,
da hatten wir schon oft große Angst. Inzwischen glauben wir fest daran, dass unser
Sohn immer zu uns zurückkommt.« Es war der längste Satz, den Wolfgang Schuster an
diesem Morgen sagte. Marius’ Blick fiel noch einmal auf eines der Bilder. Rolf Schuster
stand da inmitten einer Gruppe von Soldaten. Um ihn herum hielten alle ihre Maschinengewehre
vor dem Körper. Nur Rolf Schuster in der Mitte stand mit nacktem Oberkörper da und
hielt lachend statt eines Gewehrs einen riesigen Fisch wie eine Trophäe in der Hand.
»Kennen Sie die anderen Männer auf
diesem Bild?«
»Nur wenige«, antwortete Helena
Schuster, musste dazu selbst auf das Foto schauen. Als fiele ihr das erste Mal auf,
dass nicht nur ihr Sohn auf dem Bild zu sehen war. »Und dann sind es oft auch nur
Vornamen, wissen Sie!« Der Detektiv schrieb sich die Namen auf. Es war ein kleiner
Schritt nach vorn.
Helena Schuster zögerte kurz beim
Abschied. »Wie mein Mann schon sagte. Wir glauben ganz fest, dass er zu uns zurückkommt.
Doch so lange wie jetzt haben wir noch nie keinen Kontakt zu ihm gehabt.«
Marius saß noch nicht wieder im Wagen, als sein Mobiltelefon klingelte.
Verena Talbot besaß offenbar einen siebten Sinn, wenn es um neue Informationen ging.
Er gab ihr eine kurze Zusammenfassung über das wenige, was Schusters Eltern erzählt
hatten.
»Meinst du, dass dieser Schuster
vielleicht das eigentliche Ziel des Anschlags war?«
»Es würde Sinn ergeben. Wenn er
vor Ort gewesen wäre. Laut seinen Eltern ist er aber seit Monaten im Einsatz.«
»Oder jemand hat es auf die Freundinnen
deutscher Soldaten abgesehen, um die Moral zu untergraben. Sie dürften leichter
zu treffen sein als die Soldaten.«
»Warum nur diese eine?«
»Vielleicht war es nur der Auftakt?«
Marius montierte das Headset an
sein Handy und startete den Wagen. »Das Problem ist, dass wir mit Ökçan einen unter
den Opfern hätten, der in ein Täterprofil für einen solchen Anschlag passen würde.«
»Und der ist aller Wahrscheinlichkeit
nach unschuldig.« Marius hörte es im Hörer leise knacken. Vermutlich kaute Verena
Talbot gerade auf einem Stift. »Was hast du jetzt vor?«
»Ich werde noch einmal mit Goldberg
reden. Mich würde interessieren, ob er die Verbindung zwischen Binhold und einem
Afghanistankämpfer kennt und wie er sie einordnet.«
»Seit wann vertraust du Goldberg?«
»Ich vertraue
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