Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
Taliban.«
»Gegen wen kämpft er dann?«
»Sehen Sie, Herr Sandmann, unsere
Patienten genießen hohen Schutz. Für eine erfolgreiche Therapie ist Vertrauen entscheidend.«
Merkstein lächelte freundlich, ein Mann, der mit sich, seiner Welt und seiner Arbeit
sehr zufrieden wirkte. Marius beneidete ihn fast darum. Immerhin stand der Nutzen
von Merksteins Arbeit nicht in Abrede. Dennoch behagten dem Detektiv weder der Tonfall
noch der Inhalt von Merksteins Antworten.
»Doktor Merkstein, da draußen läuft
ein ehemaliger Patient von Ihnen herum, vermeidet den Kontakt zu seinen eigenen
Eltern und erschreckt die Familie seiner Freundin fast zu Tode. Zudem ist er ein
wichtiger Zeuge in einem der spektakulärsten Verbrechen, das Köln in den letzten
Jahren erleben musste. Sie haben die Möglichkeit, mich mit ihm sprechen zu lassen
oder irgendwann die Fragen des BKA zu beantworten. Das würde möglicherweise manch
unangenehmen Aspekte Ihrer Arbeit thematisieren. Es gibt Hinweise, dass Schuster
alles andere als geistig gesund ist.«
Ein Schuss ins Blaue, Marius hatte
das Gefühl, als könne er dabei zusehen, wie die freundlich-zufriedene Haltung seines
Gegenübers langsam zunächst das Gesicht und dann den Körper verließ und einer frostigen,
herablassenden Fassade wich.
»Sie glauben doch nicht im Ernst,
dass Schuster der Attentäter ist?« Merkstein hatte ihn besser verstanden als erwartet.
»Dann würde er wohl kaum vor dem Haus der Binholds auftauchen können.«
»Warum nicht?«
»Weil er dann tot wäre. Das Attentat
war ein Selbstmordanschlag, schon vergessen, Herr Detektiv? Und jetzt verlassen
Sie bitte meine Klinik.«
Zwei weiß gekleidete kräftige Männer, von denen sich nur schwer sagen
ließ, ob sie Pfleger oder Wächter waren, brachten Marius über einen gepflegten Kiesweg
zu dem hohen geschwungenen Gittertor, das die Klinik von der Außenwelt abschottete.
Draußen schaltete er sein Mobiltelefon wieder ein, ein kurzes Brummen signalisierte
ihm eine Nachricht auf der Mailbox. Er erkannte die Nummer und rief umgehend zurück.
»Sie wollten mich sprechen?«
»Als ich heute Morgen aus dem Haus
ging, stand dort ein Mann. Ein Fremder, ich kannte ihn nicht. Ich bin zu ihm gegangen,
wollte ihn ansprechen. Da ist er weggelaufen.«
»Können Sie den Mann beschreiben?«
»Ich bin nicht sehr gut darin. Er
war groß, blond, trug Jeans und eine Tarnjacke. Meine Frau kann ihn vielleicht besser
beschreiben. Denn als ich weg war, ist er wiedergekommen.«
»Was ist passiert?«
»Warten Sie einen Augenblick, ich
gebe Ihnen meine Frau.« Marius hörte ein kurzes Tuscheln, dann ein Klacken, als
der Hörer weitergegeben wurde.
»Herr Sandmann?«
»Am Apparat.«
»Gut, dass wir Sie sprechen können.
Dieser Mann. Er stand auf einmal direkt vor unserer Tür. Ich habe mich zu Tode erschrocken,
als ich aus dem Haus gehen wollte. Da stand dieser Kerl direkt vor mir, als ich
die Haustür geöffnet habe. Und er trug eine Waffe im Hosenbund.«
»Hat er Sie bedroht?«
»Nein, das nicht, und zum Glück
lasse ich mich nicht leicht erschrecken. Aber das war wirklich beängstigend.«
»Meine Frau ist sehr verstört«,
hörte Marius Ökçans Stimme im Hintergrund.
»Er hat Sie nicht bedroht? Stand
einfach nur da?«
»Er hat mich noch etwas gefragt,
dann ist er weggelaufen. Wäre es nicht so schrecklich gewesen und der Mann so groß,
hätte man denken können, es wäre ein Kind gewesen.«
»Was hat er gefragt?«
»Ob Ökçan hier wohnt.«
Auf der Fahrt zurück nach Köln hatte Marius Sandmann genug, worüber
er nachdenken konnte. Merksteins Blick, kurz bevor er seine Freundlichkeit verlor,
war das eine. Irgendetwas hatte Marius gesagt, das den Psychologen überrascht hatte,
und der Detektiv musste herausfinden, was das war.
Mehr beschäftigte ihn Schusters
Auftauchen bei den Ökçans. Marius zweifelte nicht, dass er es wieder tun würde.
Auch wenn er nicht genau wusste, was Schuster bei der Familie wollte, ahnte er,
dass es kaum etwas Gutes sein konnte.
Irgendetwas lief gerade völlig aus
dem Ruder und Marius hatte das Gefühl, dass ihm nur noch wenig Zeit blieb, weiteres
Unheil zu verhindern.
34
Paula Wagners Mobiltelefon klingelte während ihrer kurzen Mittagspause.
Sie saß mit Hannes Bergkamp an einem Tisch in der Kantine des Präsidiums, vor sich
ein Tablett mit Braten und Klößen. Typisches Winteressen, und sie fragte sich, was
ihr derzeitiger Mitbewohner wohl zu diesem Essen sagen würde. Vermutlich würde
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