Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
sehen.
Nur zwei Hochhäuser überragten die Bäume. Aber sie waren sicherlich einen Kilometer
entfernt. Der Platz war perfekt, das musste sie zugeben.
»Unterhalten wir uns, Frau Kommissarin!«,
eröffnete Maassen. Stefan Schweller stand schräg hinter ihr, Georg Lembach an der
geöffneten Wagentür. Maassen lehnte lässig am Streifenwagen, die entsicherte Waffe
in seinen vor dem Körper verschränkten Händen.
»Sie glauben doch nicht, dass Sie
mit der Geschichte durchkommen, oder? So dumm können Sie gar nicht sein, Maassen.«
Erstaunlicherweise war es Paulas ausgesprochener Widerwille gegen Druck und Autorität,
der sie zur Polizei gebracht hatte. Nichts lag für die Tochter eines fränkischen
Waldarbeiters mit respektabler krimineller Vergangenheit ferner. Mit nichts hatte
sie ihrem Vater mehr beweisen können, dass sein Wort für sie nichts galt. Jetzt
fühlte sie sich wider Willen unter Druck gesetzt und sie reagierte, wie sie immer
darauf reagierte: mit Widerstand. Bockigkeit hatte ihr Vater das immer genannt,
diesen Schutzmantel, um sich nicht anmerken zu lassen, dass ihr vor Angst die Knie
schlotterten.
»Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden,
Wagner. Wie ich das sehe, machen hier vier Kollegen einen kleinen Ausflug ins Grüne.«
Er deutete mit der Hand über das Brachland. »Ist doch hübsch hier, eine wunderschöne
Landschaft. Finden Sie nicht?«
»Sehr pittoresk!«
»Pittoresk! Schau an! Die Frau Kriminalkommissarin
kennt exotische Wörter.« Er grinste seine Männer an. »Das hier ist gar kein Ausflug
ins Grüne. Das ist ein Bildungsurlaub!« Er lachte. Zufrieden mit sich und seiner
Welt. »Was denken Sie, Wagner, was Sie heute hier lernen sollen, hm?« Er fuhr ihr
mit dem Lauf seiner Pistole kurz über die Wange. Angewidert drehte Paula sich weg.
»Wahrscheinlich, dass nicht jeder,
der eine Uniform trägt, ihrer auch würdig ist«, antwortete sie.
»Höre ich da leise Kritik?« Maassen
hielt Paula die Waffe direkt an die Nase und schob ihr Gesicht leicht zur Seite.
»Das will ich nicht hoffen!« Er nahm die Pistole wieder herunter. »Worüber wir heute
reden wollen, und was Sie hier lernen sollen, ist die Idee von ›Gemeinschaft‹, von
Vertrauen und Kameradschaft. Dass man für die anderen einsteht, dass man sie nicht
hängen lässt in schweren Zeiten und dass die Kameraden über allem stehen. Ja, worüber
wir hier reden, Frau Wagner, das ist Freundschaft. Sagt Ihnen das was? Wie man hört,
sind Sie eher der einsame Typ.« Mit der Pistole strich er ihr durch die Haare, reflexartig
schüttelte sich Paula, nachdem er die Waffe zurückgezogen hatte. »Wenn Sie nicht
mehr aus sich machen, ist es ja klar, dass Sie allein bleiben.«
»Worauf zum Teufel wollen Sie eigentlich
hinaus, Maassen?«
»So böse? Warum denn das? Nun gut,
ich kann Ihren Ärger verstehen. Da verrennen Sie sich in diesen unglücklichen Todesfall,
denken, dass Sie einer ganz großen, schlimmen Sache auf der Spur sind, und dann
entpuppt sich alles als dummes Missgeschick. Da kann man schon einmal böse werden.
Aber wissen Sie, was das Tolle ist?« Maassen machte eine kurze Pause und wartete,
dass Paula etwas sagte. Sie machte es tatsächlich.
»Nun reden Sie schon weiter. Sie
brennen doch darauf, mich aufzuklären.«
Maassen stieß sich leicht vom Auto
ab und ging halb um sie herum. »Sie sind wirklich kein einfacher Mensch, Wagner,
da hatte Bergkamp schon recht.« So viel zum Thema Vertrauen, dachte Paula, als Maassen
den Namen des Hauptkommissars, ihres engsten Vertrauten bei der Polizei, erwähnte.
»Das Tolle ist: Jetzt sind Sie nicht
mehr allein. Sie haben Freunde, Frau Kommissarin. Uns! Wir kümmern uns jetzt um
Sie. Damit Sie sich nicht weiter in unsinnigen Ermittlungen verrennen!«
»Das ist lieb von Ihnen, Maassen.
Aber Sie kommen zu spät.« Zum ersten Mal wirkte der kräftige Mann für einen kurzen
Moment verunsichert.
»Zu spät?«, fragte er.
Bevor Paula antworten konnte, sprang
Lembach ein. »Der Aufbruch deines Wagens in Nippes, Kurt.« Er deutete mit einer
Bewegung des Kinns auf die Kommissarin. »Sie hängt mit drin.«
Paula Wagner war sich nicht ganz
sicher, wie sie Maassens Gesichtsausdruck deuten sollte. Er wirkte verblüfft, wütend,
aber in seiner Mimik zeigte sich auch ein Hauch von Bewunderung.
»Sie begehen ja Verbrechen«, sagte
er mit einem tadelnden Unterton. »Einen Wagen aufzubrechen – das ist verboten!«
Der Schlag traf Paula unvermittelt und schleuderte sie gegen den Wagen. Ihre
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