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König 01 - Königsmörder

König 01 - Königsmörder

Titel: König 01 - Königsmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Miller
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er vor Schmerz keuchte und etwas Warmes, Feuchtes aus seiner Nase und über seine Lippen laufen spürte, begann die Erde in der Schale zu beben. Schimmerte. Brach hervor wie ein Wasserspeier. Etwas Schlankes und Grünes erhob sich daraus, erwachte jäh zum Leben in einer Überfülle von Gelb und Blau. Seine Finger konnten die Schale nicht länger festhalten, ließen sie fallen. Sie zerschellte auf dem Steinboden der Krypta. Die Blume, der er zur Geburt verholten hatte, wuchs weiter. Atemlos und ungläubig beobachtete er, wie ihr Stängel sich verbreiterte, während die Knospen sich öffneten, während die blauen und gelben Blütenblätter sich entfalteten und die Luft mit Parfüm durchtränkten. Endlich hörte sie auf zu wachsen, und stattdessen lag ein Wunder zu seinen Füßen.
    »Barl rette mich«, flüsterte Gar. »Ich sage, du sollst den Samen keimen lassen, nicht die Krypta in ein Gewächshaus verwandeln.« Er schüttelte den Kopf, voller Staunen – und Neid. »Wer bist du, Asher?
Was
bist du?«
    Asher starrte die Blume an und wurde von einer solchen Woge von Gefühlen übermannt – Furcht, Jubel, Entsetzen, Glück –, dass er für einen Augenblick die Sprache verlor. »Ihr seid der Geschichtsstudent«, sagte er, als seine Zunge ihm endlich wieder gehorchte. »Sagt Ihr es mir.«
    Gars Miene verspannte sich. »Ich wünschte, das könnte ich.«
    Er machte sich daran, die Kugel und das Buch wieder in dem Bündel zu verstauen. Dann drehte er sich um, um die Tonscherben aufzulesen und ebenfalls hineinzulegen. Seine Bewegungen kündeten von grimmiger Selbstbeherrschung. Asher bückte sich, um ihm zu helfen. Gar schlug seine Hand weg. »Ich bin nicht hilflos.«
    Er trat zurück. »Das habe ich auch nie behauptet.«
    »Aber du hast es gedacht!«
    »Das habe ich nicht getan. Gar…«
    »Hilflos! Nutzlos! Unzulänglich!« Beim letzten Wort brach Gars Stimme, seine Züge verzerrten sich, und er wandte sich ab.
    Erfüllt von unerwünschtem Mitgefühl, konnte Asher nichts anderes tun, als zu warten. Verschwunden war der stolze, mächtige König, der sich auf dem Marktplatz unters Volk mischte, tröstete und sich trösten ließ, der sein magisches Geburtsrecht trug wie einen Mantel aus Gold. An der Stelle dieses Mannes sah er jetzt den wiedergeborenen Krüppel vor sich, in die Knie gezwungen von Trauer und einem verwirrten Zorn darüber, dass sein Leben eine so unfreundliche Wendung hatte nehmen können. Dass ein Olk gegen jeden Glauben und gegen jede Erwartung die Magie besitzen konnte, nach der er sich sein Leben lang so leidenschaftlich verzehrt hatte. Eine Magie, die sich ohne Vorwarnung in ihm offenbart und ihn dann ohne Grund verlassen hatte.
    Endlich fasste Gar sich wieder. »Es tut mir leid.«
    Asher tätschelte ihm verlegen die Schulter. »Das muss es nicht.«
    »Es ist schon spät. Wir sollten gehen. Aber zuerst…«
    Gar blickte gequält auf das verstümmelte Marmorantlitz seines Vaters. »Das Bildnis. Wenn ich dir die Beschwörungsformel geben würde, würdest du dann… Ich möchte nicht, dass irgendjemand sieht… Es ist gefährlich. Für uns beide. Und ihm gegenüber respektlos.«
    Asher seufzte. Er wollte es nicht tun. Je weniger Magie er benutzte, umso glücklicher würde er sein. Aber…
    Er ließ sich von Gar die Worte nennen, die er brauchte und gab Bornes entstellten Zügen ihre geziemende Form, als seien sie nicht aus Marmor, sondern aus Butter gemacht. Dann verbannte er die Erde und die üppigen Pflanzen, die er geschaffen hatte, in den Wald rund um die Krypta.
    »Danke«, sagte Gar. Gedämpft. In sich gekehrt. »Ich bin dir wirklich dankbar.« »Beweist es«, erwiderte Asher. »Findet einen Ausweg für mich.«
    Gar nickte und strich mit den Fingerspitzen über das perfekte Bildnis seines Vaters. »Ich werde es versuchen.«
    Taub gegen Darrans flehentliche Bitten, hatte Gar sich für eine private Beerdigung seiner Familie entschieden. Sechs ernste Stadtwachen holten die Leichen aus dem Ostflügel des Palastes. Conroyd Jarralt, einige Mitglieder des Großrats, Pellen Orrick und etliche Angestellte des Palastes und des Turms hatten sich in schweigendem Respekt auf dem Rasen neben der geschotterten Einfahrt versammelt, um zuzusehen.
    Asher, der bei Dathne, Darran und Willer stand, kaute auf seiner Unterlippe und zwang sich mit Gewalt zu einer Miene strenger Starrheit. Verfluchte Beerdigungen. Er hasste sie. Er und Dathne waren fünf Tage nach dem Unfall als offizielle Stellvertreter des Königs zur

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