König 01 - Königsmörder
Conroyd«, erwiderte der Krüppel. »Ihr seid Historiker, Herr? Wenn nicht, schlage ich vor, dass Ihr nach einem Buch greift. Die Vergangenheit ist bevölkert mit unklugen Personen, die vergessen haben, dass brutale Gewalt zu nichts anderem als zu Niederlagen führt. Dabei fällt mir spontan der Name ›Morg‹ ein.« Verblüfft beäugte er den Kümmerling genauer. »Und was wisst Ihr über Morg, Krüppel?«
Gar zuckte die Achseln. »Nur das, was jede halbwegs gebildete Person weiß. Dass er ein kleiner Mann war, der versucht hat, sich mit Gewalt größer zu machen – und gescheitert ist. Ich hoffe um Euretwillen, dass Ihr aus seinem Beispiel lernt.«
Er lachte. Lachte, bis Tränen in seinen geborgten Augen brannten, dann klopfte er Gar scharf auf die Wange. »Die Kutsche wartet. Kehrt in Euren Turm zurück, Junge. Wenn ich Euch noch einmal benötige, werde ich einen Lakaien schicken. Und sorgt dafür, dass Ihr die Bedingungen Eurer Freiheit nicht vergesst. Trotzt mir, und ich werde Wachen an all Eure Türen stellen und jene, die Euch zu helfen trachten, schwer bestrafen.«
Der Krüppel starrte ihn für einen langen Moment an. Dann drehte er sich um und ging. Morg sah ihm, immer noch ungemein erheitert, nach, dann vergaß er ihn. Schwelgte stattdessen in der Musik von Gehorsam und Jubel, die sich zu den fernen Dachsparren der Halle erhob.
»Heil unserem König Conroyd! Heil König Conroyd! Barl segne unseren König Conroyd, Wettermacher von Lur!«
Ihre verzweifelte Freude über seine Thronbesteigung umfloss ihn bis hinauf auf das Podest, von dem der Krüppel soeben zum letzten Mal abgetreten war. Während er auf ihre eifrigen Rufe lauschte, empfand er nichts als Geringschätzung. Sie waren allesamt Vieh, diese Bauern und ihre Lords. Unter ihnen war nicht ein einziger Mann, der mehr verdient hätte, als geschlachtet zu werden.
Die Hände auf dem Pult verschränkt, stand er vor ihnen und ließ den Blick über ihre tierischen Gesichter gleiten, während sie weiter schrien und mit den Füßen stampften. Vieh? Ja, die Olken und Doranen dieses farblosen Königreichs waren Schafe. Bereit, jedem zu folgen, der ihnen Frieden und eine endlose Abfolge magischer Tage versprechen konnte. Es machte ihn krank, es zu sehen. Dass eine so majestätische und stolze Rasse wie die Doranen so tief sinken konnte. Dass sie zu einer blökenden, blind ihrem Herrn folgenden Herde werden konnten. Was immer Barls Flüchtlinge an Stärke besessen hatten, ihren Nachfahren war nichts davon geblieben. Ihre Nachfahren waren Papierdoranen – allesamt dazu bestimmt zu verbrennen.
Er nahm die Hände auseinander und hielt sie in einer bescheidenen, bittenden Geste hoch. »Brave Männer und Frauen, ich bitte Euch: genug!«
Atemloses Schweigen senkte sich herab. Die Narren, die aufgesprungen waren, kehrten auf ihre Plätze zurück. Wie eingepferchte Schafe, die das Klappern des Tores hörten, wenn es aufgesperrt wurde, starrten sie ihn an, warteten und hofften auf Futter.
»Meine lieben Ratsmitglieder«, sagte er und ließ Kummer in seine Stimme fließen. »Dies sind in der Tat dunkle Tage. Unser geliebtes Königreich hat eine Wegscheide erreicht. Die Taten eines einzigen irregeleiteten Mannes haben es an den Abgrund der Zerstörung geführt. Ich weiß…« Er hob warnend eine Hand. »Ihr habt Euren früheren König geliebt. Liebt ihn noch immer als Prinzen und als den traurigen Spross eines gefallenen Hauses. Ich kann nur Lob finden für Eure Liebe, meine Untertanen. Eure Bereitschaft, seine schwerwiegenden Fehleinschätzungen zu übersehen, sagt mir alles, was ich über Eure Herzen wissen muss. Gute Herzen. Kräftige Herzen. Aber vielleicht nicht so weise, wie Barl es sich gewünscht hätte.«
Ein Raunen, während die Menschen unten verstohlene Blicke tauschten. Er wartete einen Moment lang ab, dann mähte er ihre Einwände nieder. »Blinde Hingabe ist etwas Gefährliches«, fuhr er fort. »Es war blinde Hingabe, die dem Verräter, Asher, Macht gab und die Möglichkeit, mit verbotener Magie zu experimentieren.« Eine weitere Pause, während ein Aufkeuchen durch die Herde ging. »Nur Barl kennt die wahre Absicht seines schwarzen, lieblosen Herzens. Nur Barl weiß, welchen Schaden er in dem Paradies, für dessen Schaf– fung sie gestorben ist, angerichtet hat.«
Nole Daltrie, verlässlich wie immer, erhob sich und rief: »Was sagt Ihr da, Con… Eure Majestät? Denkt Ihr, das Königreich sei in Gefahr?«
»Das Königreich war von dem Tag an
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