König 01 - Königsmörder
zugehumpelt kam. Sein Verstand wehrte sich dagegen, erzitterte bei der bloßen Vorstellung. Es war unerträglich.
Unerträglich.
Er erhob sich taumelnd, die geheilten Hände zu Fäusten geballt. Dann öffnete er den Mund, um seinen Zorn, seine Ohnmacht und den lauernden Schmerz herauszuschreien – und keuchte auf. In seinem Geist war neue Magie.
Zaghaft griff er danach, ließ seine Sinne darüber hinweggleiten, spürte, wie sie sich langsam entfaltete, und lachte.
Wettermagie.
Nicht vollständig. Nicht alles, was die Kugel enthalten hatte, war auf ihn übergegangen. Und das, was Barls Fängen entronnen war, war jetzt durch schwarze Flammen beschädigt. Aber es war dennoch Wettermagie. Dies musste der Unterschied sein, den er wahrgenommen hatte. Dies war sein ersehnter Sieg. »Siehst du, Hure?«, rief er in den leeren Raum, rief es ihrer erloschenen Erinnerung zu. »Du hast mich nicht geschlagen! Du hast nicht gesiegt!«
Er besaß jetzt genug Wettermagie, um in das Herz ihrer kostbaren Mauer zu blicken. Um Kette und Schuss zu erkennen und zu wissen, wie er die Fäden auseinanderziehen konnte, das Gewebe ihres Genies. Wie er es ausfasern konnte, um damit die Welt auszufasern, die sie geschaffen hatte, um ihm und den heiligen Eiden zu trotzen, die sie einander geschworen hatten.
Aber nicht hier. Um so tief in das Gewebe der Mauer hineinzublicken, musste er sich in die Wetterkammer begeben.
Er ritt auf dem Rücken von Ashers silbernem Hengst dorthin. Wie sein ehemaliger Herr widersetzte das Tier sich ihm zuerst, aber nicht lange. Nichts und niemand konnte sich ihm lange widersetzen.
Eingehüllt in einen Ablenkungszauber, ritt er unbemerkt durch die Straßen der Stadt und auf das Palastgelände, hinüber zum alten Palast, wo Barls letzte Monstrosität zwischen den Bäumen lag. Je näher er der Wetterkammer kam, umso deutlicher konnte er sie riechen. Sie war seit sechs Jahrhunderten tot, und ihre Magie hatte noch immer Bestand. Er hasste sie,
hasste
sie und staunte über ihre überlegene Macht.
Als er durch die Bäume brach, fand er sich endlich auf einer Lichtung wieder, von Angesicht zu Angesicht mit der uralten Wetterkammer. Der Bastion von Barls Magie, die Zeuge von deren Vernichtung durch ihn werden würde. Mit zusammengebissenen Zähnen saß er ab und hängte die Zügel des Hengsts über einen nahen Ast. Das Tier, dessen Flanken von Sporenabdrücken aufgerissen waren, ließ den Kopf sinken und keuchte, während ihm blutiger Schweiß übers Fell rann.
Nachdem er Glimmfeuer heraufbeschworen hatte, öffnete er die widerstrebende Tür und und eilte die Treppe hinauf, wobei er in vollen Zügen die Mühelosigkeit genoss, mit der er sich bewegte. Die Tür im oberen Stockwerk stand offen. Er trat in die Kammer und wurde abermals eingehüllt von dem alles durchdringenden Gestank von Barls Wettermagie. Schwache Echos ihrer Gegenwart wehten um ihn herum wie verblassendes, abgestandenes Parfüm.
Er legte den Kopf in den Nacken und blickte durch die kristallene Decke in dem goldüberhauchten Himmel. »Siehst du mich, Hure?«, flüsterte er. »Ich bin es, Morgan, Liebste. Dein Gemahl ist zu Hause.«
Ohne dass ihm eine Antwort zuteil wurde, richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Mitte des Raums und auf das Modell von Lur, das so kunstvoll auf das Gewebe des Königreichs eingestimmt war. Ein unvertrautes Gefühl regte sich in ihm: Bedauern. Die Karte war ein Wunder, das nur Barl hatte zuwege bringen können. Oh, was sie zusammen hätten erreichen können, wäre sie ihm nur treu geblieben.
Er ließ sich auf den Parkettboden sinken und hielt die Hände über das Modell. Dann schloss er die Augen und öffnete seinen Geist den gestohlenen Beschwörungen, die sich wie goldene Schlangen in seinem Kopf wanden, und ließ sich von Barls stinkender Magie durchtränken.
Und dann, endlich, verstand er. Alles, was bis zu diesem Moment undurchdringlich gewesen war, war mit einem Mal absolut und auf wunderschöne Weise klar. Er verstand alles…
In diesem fruchtbaren Land fließt Macht durch alle lebenden Dinge, ist ein Teil von ihnen und untrennbar. Nicht hart und scharf und leuchtend wie doranische Magie, die sich zu Waffen und Knechtschaft schmieden lässt. Olkische Magie ist sanft und gleitend und nahrhaft wie Blut. Dazu bestimmt, einem jeden durch die Finger zu schlüpfen, der glaubt, sie mit grobem Griff fassen zu können. Barl sieht dies. Akzeptiert es. Begreift, dass ihr wahres Ziel eine Ehe verschiedener Arten von Magie
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