König 01 - Königsmörder
»Vielleicht kann er uns sagen, was genau der Verbrecher getan hat. Vielleicht wird es Euch helfen, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen!«
Ein einfallsreicher Gedanke, wenn auch sinnlos. Aber die Befragung des Krüppels würde Holze etwas zu tun geben. Würde dafür sorgen, dass er ihm nicht in den Weg kam. Er nickte. »Seid gesegnet, Efrim. Daran hätte ich selbst denken sollen.«
»Nein, nein, Conroyd. Ihr habt gewiss schon die Grenzen Eurer Kraft erreicht!« Morg hätte um ein Haar laut aufgelacht. »Ich fürchte, Efrim, all die wunderbaren Pläne, die wir neulich abends ausgearbeitet haben, werden noch ein Weilchen warten müssen. Wenn ich uns nicht vor Ashers perfidem Verrat rette, wird es keine ruhmreiche Zukunft für uns geben.«
»Natürlich, natürlich!«, stimmte Holze ihm zu und stand auf. »Nichts ist wichtiger als die Wiederherstellung von Barls Mauer. Das ist Eure heilige Pflicht, Conroyd!«
Er nickte. »Genau. Und nun zu etwas anderem. Wie es sich fügt, könnt Ihr mir bei zwei weiteren Angelegenheiten helfen. Zuerst einmal könntet Ihr dafür sorgen, dass die Bevölkerung der Stadt mit Gebeten beschäftigt wird. Ihr braucht keine besonderen Gründe zu nennen, eine unterstützende Ermahnung zu meinen Gunsten sollte genügen. Ich dachte, es würde vielleicht helfen, die Befürchtungen des Volks zu zerstreuen und den Menschen das Gefühl geben, sie könnten zum Wohlergehen unseres geliebten Königreichs beitragen. Außerdem wird es Eure untergebenen Geistlichen daran hindern, unkluge Spekulationen anzustellen.« Holze nickte. »Natürlich. Was noch?«
»Ich denke, es wäre klug, alle Aktivitäten der Räte, des Kronrats wie des Großrats, einzustellen, bis diese Krise vorüber ist.«
»Seid Ihr Euch sicher?«, fragte Holze stirnrunzelnd. »Die Angelegenheiten des Königreichs müssen weitergehen.«
»Aber hätte das wirklich einen Nutzen, solange das Wetter… instabil… bleibt?« Morg schüttelte den Kopf, als spielte es eine Rolle. »Ich denke, wir beide kennen die Antwort darauf. Die Gilden werden die Menschen aufwiegeln, und unsere doranischen Brüder werden darauf drängen, an Dingen beteiligt zu werden, die geheim bleiben müssen. Wie die Dinge liegen, Efrim, weise ich zu jeder Zeit des Tages und der Nacht wenig zurückhaltende Bitten um eine Audienz ab.« Der Tattergreis nickte unglücklich. »Ja. Ja. Ich fürchte, diese letzte Übertragung der Macht hat viele Menschen verunsichert.«
Verunsichert? Morg wandte sich ab und verbarg ein hämisches Lächeln. Die Insekten mussten die Bedeutung dieses Wortes erst noch lernen… »Ich würde es als großen persönlichen Gefallen erachten, Efrim, wenn Ihr meine Entscheidung in einer Krisensitzung der Räte ankündigen könntet. Willer wird die Mitglieder der Räte verständigen. Ermahnt sie mit Nachdruck, mit aller Kraft um die Erlösung unseres Königreiches zu beten.«
Holze verneigte sich. »Natürlich, Eure Majestät. Seid versichert, dass ich mich darum kümmern werde.«
Morg, der seinen Abscheu verbergen musste, umarmte den leichtgläubigen Geistlichen. »Ich vertraue Euch bedingungslos, Efrim. Jetzt geht und kümmert Euch um unser Königreich. Benutzt Willer, als wäre er Euer eigener Diener.« »Ihr werdet ihn nicht brauchen?«
Willer
brauchen? »Es ist ein Opfer, das ich im Dienste unseres geliebten Lurs mit Freuden bringen werde«, sagte er ernst. »Barls Segen begleite Euch, lieber Freund.«
Wieder allein, herrlich allein, streckte Morg sich auf dem Sofa im Arbeitszimmer aus, schloss die Augen und lauschte auf die Musik des Donners, während der die verletzbaren Fensterscheiben klappern ließ.
Hinter den Vorhängen von Veiras Wohnzimmer heulte der Wind gnadenlos und ohne Unterlass. Gnadenlos prasselte der Regen auf die Erde, und Hagelkörner, so groß wie Hühnereier, zerschlugen das Strohdach des Hauses. Gar blickte stirnrunzelnd auf. Er hatte vor einer Weile gehört, wie eine Fensterscheibe zerschmettert worden war, war aber nicht aufgestanden, um nachzusehen. Irgendjemand würde sich schon darum kümmern. Er musste sich auf seine eigene Aufgabe konzentrieren: Die akkurate Übersetzung von Barls furchtbaren Zaubern. Etwa ein halbes Dutzend hatte er bereits fertig gestellt und Veira überreicht, damit Asher ihre gefährlichen, verschlungenen Worte und Gesten lernen konnte. Etwa ein Dutzend musste er noch entziffern. Sie bereiteten ihm Kopfschmerzen.
Die Tür wurde geöffnet, und Dathne kam herein, ein Tablett in den Händen.
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