König 01 - Königsmörder
gehen. Er drehte sich wieder um. »Also schön. Nur dieses eine Mal. Aber glaubt nicht, dass ich es mir zur Gewohnheit machen werde, denn…«
»Gut«, sagte Gar. »Und jetzt sollten wir uns beeilen. Ich möchte, dass der Himmel binnen einer Stunde voller Regenwolken hängt.«
Sie ritten schweigend zum Palast zurück, aber statt ihren Weg bis zum Turm fortzusetzen, lenkten sie ihre Pferde auf ein kleines Wäldchen auf dem Gelände des alten Palastes zu, wo kein Gärtner mehr dem üppigen Wuchern der Natur Einhalt gebot. Eingehüllt in bleiches Glimmfeuer, bewegten die Pferde sich vorsichtig über einen schmalen Pfad, der direkt in das Herz des alten Waldes mit seinem dichten Unterholz führte.
»Hier«, sagte Gar schließlich und zügelte sein Reittier. »Es ist besser, wenn wir den Rest des Weges zu Fuß zurücklegen. Der Pfad ist schmal, und die Bäume wachsen hier ziemlich dicht. Außerdem finden Pferde die Wetterkammer manchmal… beunruhigend.«
»Ach ja?«, erwiderte Asher, während er sich zu Boden gleiten ließ. »Und was ist mit Fischern?«
Gar schwang ein Bein über den Knauf und sprang ab. »Das weiß ich nicht.« »Nun, ich wüsste es, verdammt noch mal«, sagte er und band Cygnets Zügel an den nächstbesten Ast. »Fischer finden dergleichen Dinge noch beunruhigender als Pferde. Und Ihr solltet nicht auf diese Weise absitzen, das ist gefährlich. Ihr könntet Euch Euren verdammten Hals brechen.«
Gar seufzte. »Ich sitze schon seit Jahren so ab, Asher. Sieht mein Hals für dich gebrochen aus?«
»Nein, aber es gibt für alles ein erstes Mal«, gab er zurück. »Zumindest ist mir das gesagt worden.«
Gar grinste schief. »Komm. Die Nacht wird nicht jünger.«
Seite an Seite eilten sie über den schmalen, grasbewachsenen Pfad. Die dünne Luft hatte scharfe Zähne, aber Asher spürte sie nicht. Gar, der sein Schaudern bemerkt hatte, hatte einen Mantel direkt aus seinem Kleiderschrank im Turm herbeibeschworen und überreichte ihn ihm mit solcher Selbstzufriedenheit, dass er selbst grinsen musste.
Asher überlegte, dass es vermutlich nicht besonders feinfühlig war, mit jemandem zu streiten, der in Trauer war. Aber manche Dinge ließen sich eben nicht ändern.
»Ich bin immer noch nicht davon überzeugt, dass dies eine gute Idee ist.« »Natürlich ist es das. Du hast es heute Morgen selbst gesagt. Ich sollte nicht versuchen, allein Wetter zu machen.« »Aber was ist, wenn etwas schiefgeht?« »Dann wirst du natürlich Hilfe holen.«
»Hilfe. Klar«, sagte er langsam. »Bloß schätze ich, dass es da ein Problem geben dürfte.«
Gar sah ihn verwirrt an. »Ein Problem?«
»Jawohl! Denn nachdem sie Euch geholfen haben, werde
ich
es sein, dem sie helfen werden – auf direktem Weg in die nächste leere Zelle unten im Wachhaus.« Gar wirkte immer noch verwirrt. Asher hätte ihn am liebsten geschlagen. »Es ist Olken verboten, sich auf Magie einzulassen, habt Ihr das schon vergessen? Ich meine, ist Euch der Name Timon Spake schon entfallen? Denn ich versichere Euch, mir ist er im Gedächtnis geblieben!«
Gar blieb stehen. »Ich habe
nichts
vergessen, was an jenem Tag geschehen ist. Und es kränkt mich, dass du glaubst, ich könnte es vergessen.«
»Nun,
mich
kränkt die Vorstellung, dass man mir den Kopf abhacken könnte!«, gab er zurück und fuhr zu seinem idiotischen König herum.
»Barl rette mich!«, blaffte Gar. »Niemand wird dir den Kopf abhacken! Und du wirst dich nicht auf Magie einlassen, du wirst mich beschützen, während ich meiner heiligen Pflicht als Lurs Wettermacher nachkomme. Du Narr, man wird dir höchstwahrscheinlich eine Medaille verleihen!«
»Sagt das Conroyd Jarralt!«
Mit einem ungeduldigen Zischen packte Gar Asher mit einer Hand am Arm und deutete mit der anderen nach oben. »Sieh dir das Geschenk an, das Barl uns macht. Nur zu. Sieh es dir an.«
Mit einem tiefen Seufzer legte Asher den Kopf in den Nacken und blickte zu Barls Mauer empor. Betrachtete den gewaltigen, leuchtenden, goldenen Lichtstrudel, der jenseits der Baumwipfel in den sternenübersäten Himmel aufragte. Fern. Rätselhaft. Prachtvoll.
»Na schön«, sagte er säuerlich und riss seinen Arm los. »Ich sehe es. Was soll daran Besonderes sein? Es ist die Mauer, Gar. So, wie sie immer gewesen ist.« »Ja. Genauso, wie sie seit über sechshundert Jahren ist. Und du hast dich vollkommen daran gewöhnt, nicht wahr? Du verschwendest kaum einen Gedanken daran. Und weißt du auch, warum? Weil du niemals einen
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