König 01 - Königsmörder
einer geteilten Nachfolge gestanden. Wenn Ihr irgendjemanden kritisieren wollt, Payne, warum fangt Ihr dann nicht mit dem Großrat an, weil dieser in seiner Schwäche damit einverstanden war…«
»Der Großrat«, sagte Nole laut, während seine aufgeschwemmten Wangen sich röteten, »war in seiner Schwäche mit nichts einverstanden! Wir haben getan, was zum Wohle des Königreichs getan werden musste. Wir haben gemäß dem Gesetz
und
mit Barls Segen gehandelt!«
»Und warum wir uns jetzt, fast zwanzig Jahre später, deswegen streiten, ist mir wahrhaft unbegreiflich!«, fügte Lynthia hinzu. »Die Frage ist müßig!« »Ebenso müßig wie die Frage, warum Gar die Wettermagie empfangen hat«, sagte Jarralt, ohne den Blick von dem brodelnden Himmel abzuwenden. »Mit dem Tod seiner Schwester ist er wieder ein Einzelkind. Die Nachfolge ist klar, und das Gesetz steht.«
»Auf einem verstauchten Knöchel, wenn Ihr mich fragt«, murmelte Nole. »Aber niemand hat dich gefragt, Lieber«, bemerkte Lynthia. »Zerbrechen wir uns nicht den Kopf darüber. Wie Con sagt, was geschehen ist, ist geschehen. Es zählt nur eins wirklich: Wir haben einen Wettermacher, und das Königreich ist sicher.« Wie um ihre Worte zu unterstreichen, dröhnte über ihren Köpfen ein Donnerschlag, der das Ende der Welt anzukündigen schien. Die Frauen kreischten. Die Männer schrien durcheinander. Jarralt lachte. Jenseits der offenen Glastüren begann es aus den Wölken, die den ganzen Himmel bedeckten, in Strömen zu regnen.
König Gar, Wettermacher von Lur, war geboren.
Jarralt eilte zu den Balkontüren hinüber, trat über die Schwelle und in den Regen hinaus.
»Was tust du da, Conroyd?«, fragte Ethienne atemlos. »Du kannst nicht da draußen stehen, du wirst bis auf die Haut nass werden! All deine Kleider werden ruiniert! Komm wieder zurück hinein. Conroyd? Conroyd, hörst du mir zu?
Conroyd!«
Er ignorierte sie. Ignorierte den überraschten Protest seiner Gäste. Ging bis zum Rand des Balkons, sechs hohe Stockwerke über dem Boden, umfasste mit gespreizten Händen die Balustrade und schaute auf die Stadt hinaus. Ließ den Blick weiter wandern, über die Mauer der Stadt hinaus bis zum unsichtbaren Horizont. Regen, Regen, Regen. Regen überall. Die weinenden Wolken er– streckten sich, so weit das Auge reichte.
Seine neue, seidene Brokatrobe war durchweicht und hing ihm schwer von den Schultern. Das Wasser lief ihm in Rinnsalen die Arme hinunter, über die Brust, die Beine und sammelte sich in seinen brandneuen Schuhen. Ja, Ethienne, es ist alles ruiniert.
Er legte den Kopf in den Nacken und spürte, wie weiteres Wasser aus seinem tropfnassen Haar ihm den Nacken hinunterrann. Mit offenen Augen und offenem Mund hob er das Gesicht dem strömenden Regen entgegen. Ertränkte sich, blendete sich in dem Wunder, das Gar heraufbeschworen hatte. Jedes Tröpfchen war ein Nadelstich beißender Säure, die sich mit Bitterkeit und Verzweiflung in sein Fleisch fraß, in seine Knochen, seine Eingeweide. In sein Herz und den geheimen Ort seiner Seele.
Borne …du Bastard. Du Bastard. Du hast mich wieder einmal besiegt.
Endlich freigegeben von der unbarmherzigen Umschlingung der Wettermagie, taumelte Gar tranken und blutend durch die Kammer und brach dann auf dem Boden neben der Karte Lurs zusammen, wo kleine Wolken winzige, dahinschwindende Regentropfen von den Bergen bis zum Meer niedergehen ließen. Stöhnend, würgend, zitternd, begann er zu lachen. Asher fiel neben ihm auf die Knie. »Das ist nicht witzig!«, rief er, und Furcht ließ seine Stimme brüchig klingen. »Ihr seid ein Wahnsinniger! Ihr seid ein völliger
Irrer!
Worüber lacht Ihr? Das ist verdammt noch mal nicht komisch!« Zappelnd wie ein gestrandeter Fisch, starrte Gar durch eine Maske aus Blut zu ihm auf. »Es hat funktioniert!«, keuchte er, wobei er scharlachrote Bläschen spie. »Hast du gesehen? Es hat
funktioniert!
Ich habe es regnen lassen!
Überall!
Das hat Fane nie geschafft!«
»Ja, ja«, murrte Asher, während er in seinen Taschen nach einem Taschentuch wühlte. »Ihr habt es regnen lassen, und Ihr habt eine Schweinerei veranstaltet, und Ihr habt mich um zehn Jahre meines Lebens bestohlen, Ihr dummer Bastard. Haltet still!«
»Du weißt… das tut weh«, ächzte Gar, während Asher das Schlimmste von dem geronnenen Blut von seinem Gesicht abtupfte. »Sehr sogar. Aber es war unglaublich! Die Macht. Ich habe nie geahnt – ich habe nie
erträumt –
oh, Asher! Tut es dir
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