König 02 - Königsmacher
verlor Farbe, aber sein offener Blick war so gelassen wie nur je. »Ich stehe zu meinen Mädchen, Eure Majestät. Ihre Mutter und ich haben sie dazu erzogen, Barl zu ehren, dem Gesetz zu gehorchen, täglich ihren Nächsten einen guten Dienst zu erweisen und sich von allem Unrecht abzuwenden. Eure Majestät, sie haben nichts zu gewinnen durch diese Angelegenheit und viel zu verlieren. Sie kennen Timon, und sie haben ihn gern.« Der Bürgermeister zögerte. Blickte einmal kurz zu dem Gefangenen hinüber und räusperte sich dann. »Wir haben ihn alle sehr gern. Aber meine Töchter kennen ihre Pflicht und haben sie getan. Meine Frau und ich sind sehr stolz auf sie, Herr.«
»Ich verstehe.« Borne streckte die Hand aus. »Die Aussagen, Hauptmann.« Orrick legte sie dem König vor. Borne las eine jede der Aussagen, und seine hellen Brauen zogen sich noch enger zusammen. Als er fertig war, reichte er die Aussagen seinem Meistermagier, der sie ebenfalls las, und von ihm aus machten sie die Runde durch den restlichen Kronrat, damit die Mitglieder des Rats sie lesen und überdenken konnten.
Gar war der Letzte, der die Zeugenaussagen in die Hand bekam. Als er fertig war, reichte er die Papiere dem König zurück. Borne las sie noch ein zweites Mal, dann übergab er sie wieder Orrick, der zu seinem Platz neben Lady Marnagh zurückkehrte.
»Die Zeugenaussagen sind in Ordnung«, erklärte Borne, »und belasten den Angeklagten. Vielen Dank, Bürgermeister Fletcher. Eure Pflicht ist getan. Ihr mögt Euren Töchtern mein Lob übermitteln.«
»Ja, Eure Majestät«, sagte Fletcher atemlos. »Vielen Dank, Eure Majestät.« Solchermaßen entlassen, trat er, sichtlich erleichtert, wieder zurück. Der König sagte: »Wer spricht jetzt für den Angeklagten?«
Der zweite Mann, der Asher nicht vertraut war, trat vor. Nach einer unsicheren Verbeugung griff er sich mit den Händen an die in graue Wolle gehüllte Brust. »Eure Majestät.« Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Es handelte sich um einen betagten, freundlichen Mann, und er wirkte überwältigt. »Mein Name ist Hervy Wynton. Ich bin ein Freund der Familie Spake. Edvord Spake, Vater des Angeklagten, war zu krank, um von Grundberg hierherreisen zu können. Er leidet an einem Gangrän und wird daran sterben. Er hat mich gebeten, in dieser Angelegenheit für ihn zu sprechen.«
Borne nickte. »Und was würde der Vater des Angeklagten zu seinen Gunsten zu sagen haben?«
Hervy Wynton leckte sich die trockenen Lippen. Sein besorgter Blick blieb kurz auf dem Sohn seines Freundes hängen, der in Ketten am Boden kniete, dann wandte er sich wieder der strengen Gestalt des Königs zu. »Eure Majestät, Timon ist ein guter Junge. Ein liebevoller Sohn. Er ist alles, was mein Freund Edvord auf dieser Welt noch hat. Was auch immer Timon getan haben mag, dahinter steckte niemals böse Absicht. Er ist kein Gotteslästerer, Eure Majestät. Nur ein unbesonnener Junge, der glaubte, sich mit etwas die Zeit vertreiben zu können, von dem er nichts verstand. Edvord weiß, dass ihm nicht viel Zeit bleibt, Eure Majestät. Er fleht Euch um Gnade an, damit er seine letzten Tage nicht in bitterem Gram und endlosen Tränen verbringen muss.«
Wenn die flehentliche Bitte des alten Mannes den König rührte, so ließ er es sich nicht anmerken. »Und weist Ihr oder der Vater des Angeklagten die erhobene Anklage zurück? Könnt Ihr Beweise dafür vorlegen, dass sie zu Unrecht erhoben wurde? Oder dass sie auf arglistiger Verleumdung beruht? Beweise, dass irgendein dunkler Plan bestand, um Timon Spake aus Grundberg zu schaden und dem Ankläger zum Nutzen zu gereichen?«
»Nein, Eure Majestät«, flüsterte Hervy Wynton. »Wir erkennen an… dass die Mädchen gesehen haben, was sie gesehen haben.«
Borne nickte. »Also gut. Ihr mögt Eurem Freund Edvord Spake mitteilen, dass seine Worte vom König und Kronrat vernommen worden sind.«
Hervy Wynton verneigte sich abermals und schlurfte rückwärts durch den Raum, um wieder neben den Bürgermeister zu treten. Jetzt richteten sich aller Augen auf den Angeklagten. Bornes dünne Finger krampften sich abermals um die Armlehne seines hohen Stuhls, dann entspannte er sich ein wenig. »Timon Spake aus Grundberg, du hast die Anklage gehört, die gegen dich vorgebracht wurde. Was hast du nun zu deiner Verteidigung zu sagen? Bist du zu Recht oder zu Unrecht angeklagt? Gestehe deine Schuld, und die Verurteilung wird folgen. Erkläre, dass du zu Unrecht angeklagt
Weitere Kostenlose Bücher