König 02 - Königsmacher
er. »Ich komme nicht gut mit großen Höhen klar.«
Gar sah ihn von der Seite an und wandte sich dann wieder seiner Betrachtung des mörderischen Abgrunds unter ihnen zu. Der Boden der Schlucht war nicht zu erkennen. Man sah nicht mehr als eine steil abfallende Felsterrasse, nackte Erde, struppige Bäumchen und verwildertes Unterholz und danach nichts mehr als Bäume und abermals Bäume, die sich wie ein grüner, belaubter Ozean über eine Strecke von vielen Meilen hinzogen.
»Was tust du hier?«, fragte der Prinz. Seine Miene war abweisend. Teilnahmslos. Wenn er zu tief ins Glas geschaut hatte, war die Wirkung jedenfalls noch nicht verflogen.
Asher ging vorsichtig in die Hocke, spähte über den Rand des Abgrunds und verzog das Gesicht. »Ich will verdammt sein, wenn ich das weiß.« Er zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich bin ich hier, um zu reden.«
»Wie… nett… von dir.«
Asher, der sich im Schneckentempo bewegte und den gnadenlosen Abgrund keinen Moment aus den Augen ließ, setzte sich. »Aber dies ist kein Gespräch zwischen Prinz und Fischer. Das sage ich Euch gleich, mir steht zurzeit nicht der Sinn nach dieser Art von Unterhaltung.«
Diese Bemerkung trug ihm einen düsteren Blick ein. »Steht dir jemals der Sinn danach?«
Aha. Seine Königliche Hoheit wurde mürrisch, wenn er betrunken war. Nun, für ein Fass Makrelen geschenkt. »Na schön, wenn Ihr keine Gesellschaft wollt, Gar, braucht Ihr das nur zu sagen. Ich bin nicht…«
»Bleib«, unterbrach Gar ihn. »Bitte. Und wir werden reden wie Freu… wie zwei Männer in schlichter Kleidung ohne eine Krone in Sicht.«
Asher streckte die Beine wieder aus. »Mir soll's recht sein.« »Gut.« Gar griff in seine schwarze Robe, förderte eine silberne, mit Perlmutt eingelegte Flasche zutage, schraubte den Deckel ab und träufelte sich etwas, das nach alten Pfirsichen roch, in den geöffneten Mund. Nach einem kurzen Schweigen bemerkte Asher: »Meine Ma hat immer gesagt, es sei höflich zu teilen.«
Gar hielt die Flasche auf den Kopf. Sie war leer.
Asher schnaubte. »Ha! Das wurde auch Zeit.«
Gar stellte die Flasche achtlos neben sich und betrachtete das wilde, unversöhnliche Tal. »Es wird bald Nacht…«
Asher blickte zu dem verblassenden Himmel auf, zur jetzt rasch sinkenden Sonne. »Das ist mir aufgefallen. Ich schätze, wir sollten langsam daran denken, nach Hause zu reiten, wie? Der alte Darran wird sich vor Sorge, was aus Euch geworden ist, gewiss schon in die Hosen machen.«
Stirnrunzelnd hob Gar einige Kieselsteine auf die neben ihm auf dem Fels lagen, und ließ sie sich über die Hand rollen. »Ich habe nachgedacht. Meinst du, es hätte geschadet, wenn wir Timon Spake noch einen weiteren Sonnenaufgang geschenkt hätten?«
Asher zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht. Hätte es geschadet?« Gar ließ die Kieselsteine durch die Finger rinnen. »Ich denke, ich hätte mir noch einen Sonnenaufgang gewünscht.«
»Und noch einen und noch einen…« Asher griff nach einem faustgroßen, losen Steinbrocken und warf ihn über den Rand des Horsts. Dann lauschte er einen Moment lang, während der Stein unter ihnen von Felsen zu Felsen holperte und das Echo zu ihnen hinaufdrang. »Es musste sein, Gar.«
Der Prinz sah ihn an. Unter einer eisigen Oberfläche spiegelten seine Augen alle möglichen unbehaglichen Gefühle wider. »Das kannst du immer noch sagen? Selbst jetzt noch? Nachdem du gesehen hast… was du gesehen hast?« »Selbst jetzt noch. Obwohl ich schätze, ich würde dasselbe sagen, wenn Ihr mich nicht gezwungen hättet, zu bleiben und zuzusehen.«
Der Prinz starrte auf seine Stiefel hinab. »Du bist wütend deswegen.« Asher seufzte. »Ich war es. Jetzt bin ich nicht mehr ganz so wütend.«
»Warum nicht?«
»Matt und ich haben kurz darüber gesprochen. Seine Worte klangen vernünftig.«
»Willst du nicht wissen, warum ich dich gezwungen habe zu bleiben?« »Ich weiß, warum.«
Gar sah ihn an. »Oh?«
»Ja.«
»Hm, dann sprich weiter. Erzähl es mir. Erklär es. Mach es begreiflich. Mach es«, sagte Gar grimmig,
»mir
begreifbar.«
»Also schön. Bloß dass ich im Moment nicht allzu gut auf Euch zu sprechen bin, sagt also hinterher nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt.«
»Keine Bange, das werde ich nicht tun.«
Asher holte tief Luft und stieß sie mit einem Zischen zwischen zusammengebissenen Zähnen wieder hervor. »Also gut. Das Warum ist einfach: Ihr wolltet, dass ich bleibe, weil Unglück gern Gesellschaft hat. Weil
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