König 02 - Königsmacher
Matt war, dessen Ansichten er zu schätzen gelernt hatte, stolzierte Asher nicht fluchend in den Türm zurück, sondern murmelte widerstrebend: »Wahrscheinlich.«
»Etwas würde ich noch gern wissen. Du sagst, Gar hätte dir nicht erlaubt, den Raum zu verlassen? Also schön. Du hast dort festgesessen. Aber er konnte dich nicht zwingen hinzuschauen, nicht wahr? Als der Moment kam, hättest du die Augen schließen können. Oder den Blick abwenden. Warum hast du es nicht getan?«
»Woher weißt du, dass ich es nicht getan habe?«
Matts Lächeln war melancholisch. »Es steht dir ins Gesicht geschrieben, Asher.«
Er starrte zu Boden. »Ich konnte es nicht tun. Der törichte kleine Bastard hatte Mumm, nicht wahr? Er hat mit keiner Silbe gebettelt. Er hat einfach alles zugegeben. Er… er hat den Kopf auf diesen verflixten Holzklotz gelegt, als sei er sein Federkissen im Bett gewesen!« Es war ein Bild, von dem er wusste, dass es ihn während der nächsten Nächte verfolgen würde. Vielleicht bis ans Ende seines Lebens. »Er war sechzehn. Kein Mann, da kümmert es mich wenig, was das Gesetz sagt. Und er wusste, dass er sterben würde. Aber er hat mit Holze ein verdammtes Lied gesungen, und er hat in all diesem verfluchten Stroh gekniet und sich mit einer Axt den Kopf abschlagen lassen… Und er hat kein einziges Mal um Gnade gebettelt!«
»Dann war er also tapfer.«
»Ebenso tapfer, wie er dumm war! Und Barl weiß, dass man dümmer gar nicht sein kann. Wenn du die Wahrheit hören willst, Matt, ich habe keine Ahnung, ob ich so ruhig hätte sein können. Also hatte ich wohl… Ich hatte das Gefühl, es ihm schuldig zu sein, nicht wegzusehen.«
»Dann war Spake also trotz allem ein guter Kerl.« Matts Stimme klang belegt, so nahe ging ihm das Ganze. Asher sah zu seinem Schrecken Tränen in den Augen des anderen Mannes. Matt wandte sich verlegen ab, zupfte eine verwelkte Blüte aus einem nahen Rosenbusch und zerdrückte die Blätter in der Faust. »Sein Tod ist eine törichte, schändliche Vergeudung. Wenn er weitergelebt hätte, hätte er…« Die zerquetschten Rosenblätter wehten unbeachtet zu Boden. Matts Stimme war jetzt nur noch ein Flüstern. »Er hätte
alles
sein können.«
»Ja, hm«, sagte Asher, als das Schweigen sich unbehaglich in die Länge zog, »wie dem auch sei, jetzt ist alles vorüber, und das ist auch verdammt gut so. Ich schätze, ich habe für den Rest meines Lebens genug Blut und Tod gesehen.«
Matt musterte ihn stirnrunzelnd. »Nun… es ist noch nicht
ganz
vorüber«, sagte er und deutete mit dem Kopf auf die andere Seite des Stallhofes. »Cygnet ist gesattelt und wartet auf dich.«
Asher folgte Matts Blick und sah den Kopf seines Pferdes, das mit angelegten Ohren über seine Stalltür spähte. »Warum?«
Matt begegnete seinem herausfordernden Blick seinerseits mit einer Herausforderung. »Seine Hoheit ist vor fast einer Stunde ausgeritten, und es hat mir überhaupt nicht gefallen, wie er aussah. Ich denke, er hat…« Er überlegte kurz. »Er hat getrunken. Und er meinte, er würde zu Salberts Horst reiten. Du weißt, wo das ist?«
»Ja. Bellybone und Mikel haben mich in meiner zweiten Woche hier dorthin mitgenommen.« Asher dachte darüber nach. »Zum Horst? Und er ist betrunken, sagst du? Da kenter mir doch der Kahn! Matt, du glaubst doch nicht, dass er etwas Törichtes tun könnte, wie…«
»Würde ich hier stehen, wenn ich das glaubte? Aber ich denke, du solltest ihm nachreiten. Vergiss, dass du wütend bist. Vergiss, was du gesehen hast. Reite ihm einfach nach. Sofort.«
Asher machte sich auf den Weg. Obwohl das bedeutete, dass er auf sein Abendessen würde verzichten müssen, war Cygnet doch dankbar für den Galopp; seine gewaltigen Schritte fraßen die acht Meilen zwischen dem Türm und dem beliebten Picknickpark, von dem man einen Blick auf Lurs tiefste, wildeste Schlucht hatte.
Niemand veranstaltete dort jetzt ein Picknick. Der Horst war verlassen bis auf Gars Pferd Ballodair, das an einem in sicherer Entfernung wachsenden Baum gebunden war und bei Cygnets Erscheinen zu tänzeln begann. Außerdem war da noch Gar selbst. Der Narr hatte törichterweise die Sicherheitsgeländer und Warnschilder ignoriert und hockte auf einem Felsen in einigen Metern Abstand von der offiziellen Aussichtsplattform. Seufzend band Asher Cygnet neben Ballodair fest und gesellte sich zu dem Prinzen. »Wenn Ihr vorhabt zu springen, erwartet nicht von mir, dass ich Euch in die Tiefe folge«, bemerkte
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