König 02 - Königsmacher
waren für einen Mann.
»Das ist er, nicht wahr?«, flüsterte sie. »Morgan. Morg. Ich habe mich immer gefragt, wie er ausgesehen haben mag.«
»Gehorche deiner Mutter«, sagte Borne rau. »Leg es weg. Besser noch, zerstöre es. Er war ein Ungeheuer.«
»Nein!«, rief Fane und legte die Hände schützend um die Kugel und das Gesicht darin. »Es ist nur ein Porträt, es kann niemandem etwas antun. Es muss Barl gehört haben. Sie muss es aufbewahrt haben. Warum hätte sie es aufbewahrt, wenn irgendeine Gefahr davon ausginge?« Sie lockerte ihren Griff und betrachtete noch einmal das hochmütige Gesicht des personifizierten Bösen. »Er war so ein gutaussehender Mann. In den Geschichtsbüchern findet sich nirgendwo ein Hinweis darauf, dass er gut ausgesehen hat.« Mit einem angewiderten Aufschrei drehte Borne sie zu sich um. »Was sagt das über ihn aus? Ein schönes Gesicht mag er gehabt haben, aber sein Herz war durch und durch verdorben, und das ist alles, was zählt! Barl ist
gestorben,
um ihr Reich vor ihm zu schützen, und seit sechshundert Jahren haben die Könige und Königinnen Lurs ihr Leben darauf verwandt sicherzustellen, dass Barls Opfer nicht vergeblich war. Ich habe mein Leben darauf verwandt, diesem heiligen Vertrauen gerecht zu werden. Mein
Leben,
Fane. Und als Nächste wirst du an der Reihe sein, allein in der Wetterkammer zu stehen, mit der ganzen Last der Mauer, die deine Knochen zu Pulver zermalmen. Du wirst dein Leben in Barls Diensten in dem vollen Bewusstsein verbringen, dass du, solltest du scheitern, ein Königreich zu einer Katastrophe verurteilst. Und das alles
seinetwegen.
Wegen Morg. Du weißt das. Du
weißt
das. Und doch kannst du dort sitzen und albern lächeln und sagen, er sei
gutaussehend?«
Während Fane vor dem Zorn des Königs zurückwich, bleich und mit Tränen in den Augen, entriss er ihren schlaffen Händen die Kugel und schleuderte sie gegen die mit einem Schirm geschützte Decke.
Mit einem Aufblitzen und Krachen verschwand die Kugel.
Die Königin nahm Bornes zitternde Hände zwischen ihre, führte sie an ihre Lippen und küsste sie. »Sie hat es nicht böse gemeint, mein Liebster. Sie versteht noch nicht. Wie könnte sie auch?«
»Sie ist kein Kind mehr!«, gab Borne zurück und entzog ihr die Hände. »Sie ist die zukünftige Wettermacherin, und die Kindheit ist für sie ein vergangener Traum. Durm! Was sagt Ihr dazu? Ich dachte, Ihr hättet sie mehr gelehrt als nur die richtigen Worte in der richtigen Reihenfolge zur richtigen Zeit!« Dieser Tadel, wenn auch ungerechtfertigt, war zu erwarten gewesen. Schmerz und Furcht hatten Borne in letzter Zeit reizbar gemacht. Durm faltete die Hände hinter dem Rücken und entbot dem König eine knappe Verbeugung. »Majestät, Ihr habt natürlich Recht. Aber obwohl es zutrifft, dass Morg in seiner Hingabe an die dunkle Magie und seinem unstillbaren Verlangen nach Macht das Land unserer Vorfahren zerrissen und unsere Ahnen ins Exil und Leid geschickt hat, war er doch auch Morgan, geliebt von unserer geliebten Barl. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, dass Ihre Hoheit uns daran erinnert. Gewiss führt es uns vor Augen,
wie
groß ihr Opfer war und dass nicht einmal die Liebe alles überwinden kann.«
»Wir müssen übereinkommen, dass wir, was die Liebe betrifft, nicht einer Meinung sind«, sagte die Königin und griff nach Bornes Hand, »aber was alles Übrige betrifft… da habt Ihr nicht Unrecht, Durm.«
Wie immer erlosch Bornes Ärger so schnell, wie er aufgeflammt war. Er legte Fane zerknirscht einen Arm um die Schultern und drückte sie an sich. »Verzeih mir, Tochter. Die Krankheit hat mir sehr zugesetzt. Ich weiß, du hast es nicht böse gemeint. Aber denk über meine Worte nach, und du wirst feststellen, dass ich Recht habe.«
»Das weiß ich doch«, erwiderte Fane, immer noch erschüttert. »Ich meinte nur, dass es traurig ist. Sie hat ihn geliebt, aber sie musste fliehen, um vor ihm sicher zu sein. Und dann musste sie sterben, damit andere sicher waren.«
»Ja«, erwiderte Borne. »Ja. Es ist traurig.«
»Glaubt Ihr, dass er sie je geliebt hat?«, fragte Fane. »Wirklich geliebt?« Borne schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
»Ich halte es für wahrscheinlich, dass er sie geliebt hat«, bemerkte die Königin sanft. »Früher einmal. Bevor seine Seele von der schwarzen Magie, auf die er sich eingelassen hat, verzerrt und verbogen wurde. Verstehst du, meine liebste Fane, nicht einmal das reinste Herz kann
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