König 02 - Königsmacher
etwas derart Bösem widerstehen. Magie ist nicht immer gütig und wohlwollend.«
Durm musste sich auf die Unterlippe beißen und sich abwenden. Solch sentimentales Geschwätz! Sie und Borne taten sich in dieser Hinsicht wahrhaftig nichts. Magie war ein Werkzeug, mehr nicht. Sie erfüllte den Zweck, den der Magier im Sinn hatte, und war ebenso wenig gütig oder böse wie… wie ein Stuhl!
Mit einem angespannten Lächeln sagte Borne: »Kommt, lasst uns weitersuchen. Obwohl ich um deine Enttäuschung weiß, Fane, muss ich eins gestehen: Ich finde es ermutigend, dass wir bisher keine magischen Abhandlungen gefunden haben. Nicht alles Wissen ist ein Segen.«
Und so traurig es war, genau dies war der Unterschied zwischen ihnen, der hier klar und deutlich offenbar wurde. In dieser Angelegenheit würde es keine Übereinkunft von Geist und Herz geben. Mit dieser simplen Erklärung hatte Borne offenbart, dass er als Magier nicht als Hüter der Geheimnisse taugte, die Barl irgendwo in ihrer verlorenen Bibliothek versteckt hatte.
Hab keine Bange, mutige Frau. Ich werde deine Zauberbücher finden und sie vor den Schnitzern meines wohlmeinenden Freundes schützen. Unser Erbe wird gerettet werden, das schwöre ich bei meinem Eid als Meistermagier. Er begann weiterzusuchen, und eine Stunde später wurde er belohnt. Es war ein eigenartiger, ihm unvertrauter Instinkt, der ihn in die erdrückend enge Nische in einer dunklen Ecke der Bibliothek trieb. Ein Kitzeln des Geistes, das lockte, winkte. Das voller Verheißung war und sein Herz rasen ließ. Verblüfft sah er Borne an, dann die Königin, dann Fane. Waren sie plötzlich taub und blind geworden, so verkrüppelt wie der Prinz, dass sie es nicht spürten? Wie konnte das sein? Es war ein Rätsel…
Oder etwa nicht? Vielleicht war es Bestimmung. Vielleicht sprach hier lediglich ein Meistermagier über die Jahrhunderte hinweg zu einem anderen. Vielleicht war er der Einzige, der imstande war, die Gegenwart solcher Zauber wahrzunehmen. Borne war ein mächtiger Magier, aber er war für das Wettermachen ausgebildet worden; seine Talente waren auf einen einzigen Zweck hin geformt worden. Andere Knospen und Setzlinge waren vor Jahren unbarmherzig zurückgestutzt worden. Die Königin - nun, sie verfügte durchaus über eigenes Talent, benutzte es aber nur für weibliche Tätigkeiten. Und Fane war, obwohl in ihr eine ungeschliffene Macht loderte, wie man sie seit Generationen nicht mehr gesehen hatte, noch eine Schülerin. Unerfahren. Ihr Gaumen war vielversprechend, ja, aber einstweilen noch zu unerfahren für raffiniertere Aromen.
Also sang Barls Magie für ihn und nur für ihn. Mit der für einen geistesabwesenden Gelehrten typischen Miene schob er sich ohne Hast in den kleinen, von Büchern gesäumten Raum und beschwor Glimmfeuer herauf, um die Schatten zu bannen. Das Licht tanzte über die Rücken der in Leder gebundenen Bände, die sich dicht an dicht in der engen Nische drängten. Er strich mit den Fingern darüber und spürte das Knistern von Magie unter seiner Haut.
Irgendwo hier drin… irgendwo…
Als er das Buch fand, durchströmte ihn ein Gefühl, als hätte er einen Blitz geküsst. Er biss sich auf die Lippe, um nicht laut aufzuschreien.
Es war ein schmaler Band, in Stoff gebunden und eingeklemmt zwischen die Seiten eines unbedeutenden Textes über Falknerei. Zitternd befreite er das Buch aus seiner Gefangenschaft und schlug es auf. Ein Tagebuch. Es war handgeschrieben, und die Tinte war verblasst, aber leserlich - eine Sammlung von Notizen, ein Bericht über vollbrachte Taten und - ja! O ja! - eine Auflistung von Beschwörungen, Seite um Seite, die ihm vollkommen neu und in diesem Königreich noch nie zuvor gehört worden waren. Und das alles in einer Handschrift, die er so gut kannte, von den Notizen über das Wettermachen und den Anweisungen, die sie hinterlassen hatte.
Dies war Barls Tagebuch. Dies waren ihre Geheimnisse. Dies war es, was nach ihm gerufen hatte.
Er hätte vor Erregung laut aufstöhnen können. Abseits der kleinen Nische bemerkte der Prinz gerade: »…ein Lebenswerk, Vater. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.«
Ich glaube, ich kenne dieses Gefühl, Junge.
»Es ist gewiss eine wunderbare Büchersammlung, Gar«, pflichtete Borne ihm bei. »Ich muss sagen, angesichts der Vielfalt von Themen und deren relativer Weltlichkeit fällt es mir ein wenig schwer zu verstehen, warum Barl und ihre Anhänger solche Mühen auf sich genommen haben,
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