König 02 - Königsmacher
konnte ihn demütigen. Ihn verhöhnen. Ihn quälen. Was hatte er ihr nur getan, dass er eine solch unfreundliche Behandlung verdiente?
Nichts.
Er hatte immer nur versucht, sie zu lieben. Sie zu verstehen. Ihr zu verzeihen. Sie ihrer Mutter gegenüber zu verteidigen, ihrem Vater gegenüber, auch wenn ihre Worte und Taten so oft nicht zu verteidigen waren.
Mit größter Anstrengung wich er einem weiteren Schlag aus und schlang seine Peitsche aus Glimmfeuer um ihren Körper, drückte ihr die
Arme
an die Seiten. Sie schrie auf, und ihre Finger zuckten krampfhaft. Ihre eigene Peitsche entfiel ihren Händen und löste sich auf dem Boden in eine Wolke beißenden Rauchs auf. Sie schrie abermals auf, als er sie über das verkohlte, stinkende Gras zu sich zerrte. Als er sie an den Schultern packte und rücklings gegen den rauen Stamm eines Baumes presste. Sie trat um sich und verfluchte ihn, während er ihr Gesicht mit den Händen umfasste und sie so festhielt, dass sie nirgendwo anders hinblicken konnte als in seine gequälten Augen.
»Miststück!«,
keuchte er. Schluchzte beinahe. »Was ist nur
los
mit dir? Ich habe mir immer nur gewünscht, dass du mir genauso viel Gefühl entgegenbringst wie ich dir! Dass du meine Schwester wärst, wie ich dein Bruder war. Warum ist das so schwer? Warum ist das so viel verlangt? Warum, in Barls Namen,
hasst
du mich so sehr?«
Sie weinte, das Gesicht verzerrt vor Zorn und Kränkung. »Was glaubst du, warum, du törichter Bastard? Weil sie mich niemals wollten! Nicht um meinetwillen. Nur weil du ein Versager warst! Der einzige Grund, warum ich überhaupt existiere, ist der, dass du als
Krüppel
zur Welt kamst! Und jetzt stehst du hier, wiedergeboren als Magier! Also, was wird jetzt aus mir?« Ihr greinendes Selbstmitleid gab ihm den Rest. Er umfasste ihr Gesicht noch fester, bohrte die Nägel in ihr weiches Fleisch. »Wen interessiert das?«, zischte er. »Du bist also nicht die Einzige, die Magie besitzt, na und? Glaubst du, die Welt wird aufhören, sich zu drehen? Erwartest du, dass die Mauer zerfällt und unser Leben in Blut und Feuer endet, und das alles nur meinetwegen? Weil Barl mir endlich,
endlich
meine Magie gegeben hat? Mein
Geburtsrecht?
Denkst du, dass das, was ich jetzt habe, dich herabsetzt? Kleine Schwester, du bildest dir ein wenig zu viel ein.«
Ihre Augen waren groß, die Pupillen schwarze Höhlen. Eine Flut von Tränen wusch den Ruß und den Rauch von ihren schneeweißen Wangen. Mit verzerrten Lippen keuchte sie: »Gar - lass mich los - du tust mir weh! Du tust mir
weh!«
»Barmherzige
Barl!«,
rief er, blind und taub gegen ihr Flehen. »Du bist das selbstsüchtigste Geschöpf unter Barls Sonne! Hast du auch nur eine Minute darüber nachgedacht, was
ich
durchmache? Darüber, was ich mein ganzes Leben durchgemacht habe? Nein, natürlich hast du das nicht getan. Denn ganz gleich was geschieht, ganz gleich wer leidet, unterm Strich bist du die Einzige, die zählt. Du! Du! Du! Und du hast die Frechheit, dich darüber zu beklagen, dass
ich dir
weh tue?«
Endlich freigesetzt hätte sein Zorn ihn überwältigt; er hätte die Finger um ihre Kehle gedrückt und sie geschüttelt, bis sie weinend Abbitte leistete und um Barmherzigkeit bettelte oder erstickte.
Asher war es, der sie vor einer Katastrophe bewahrte.
»Verdammter Idiot!«, brüllte sein Freund und zerrte ihn von Fane weg, einen starken Arm fest um seine Brust gelegt. »Seid Ihr von Sinnen? Was tut Ihr da? Versucht Ihr, sie
umzubringen?«
Keuchend und fluchend riss er sich von Asher los. »Halt dich da raus! Geh weg! Es geht dich nichts an, und du würdest es ohnehin nicht verstehen!«
»Ich
würde es nicht verstehen?«, fragte Asher wütend. »Ich? Mit
meinen
verdammten Brüdern?«
Gar fuhr sich atemlos mit seinem verkohlten Ärmel über das schweißnasse Gesicht. Der Zorn loderte noch immer in ihm. Er erstickte den Drang, Asher niederzuschlagen. »Dies hier ist etwas anderes!«
Ashers Miene war zutiefst skeptisch. »Jawohl. Klar. Das hatte ich vergessen. Das Königshaus hat bessere Familienzwistigkeiten.« Er schüttelte den Kopf. »Was habt Ihr Euch bloß
gedacht,
Gar? Die Hälfte der Leute im Turm haben gehört, wie Ihr zwei einander an die Gurgel gegangen seid wie streunende Katzen! Willer hat sich zweimal in die Hose gemacht! Was ist in Euch gefahren? Hat all diese neue Magie das bisschen an gesundem Menschenverstand weggebrannt, mit dem Ihr geboren worden seid?« Er riss die Hand hoch und deutete auf
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