König 02 - Königsmacher
sicherstellte, würde sie Hunderte von Menschenleben retten. Vielleicht Tausende. Vielleicht jeden, der im Königreich lebte. Veira würde wütend sein, aber solange die alte Frau nach der Tat wütend war, spielte das keine Rolle. Als Jervals Erbin war es ihre Pflicht, den ungehinderten Fortgang der Prophezeiung zu gewährleisten … und sie würde tun, was immer sie tun musste, ganz gleich wie hoch der Preis war. Für einen kurzen Moment verspürte sie brennenden Hass gegen den Mann, der sie das zu tun zwang. Der den gleichen Eid geleistet hatte wie sie, den Schwur, zu schweigen und um des Zirkels willen eher zu sterben. Als Verrat zu üben… Der Bastard hätte sich töten sollen. Als sie fertig war, wickelte sie die Küchlein in ein sauberes Geschirrtuch, legte sie und ein Buch in einen Beutel und rannte den ganzen Weg bis zurück zu Asher.
»Wurde aber auch verdammt noch mal Zeit«, murmelte er, während er die wogende Menge auf dem Platz unbehaglich musterte. »Bleib jetzt dicht bei mir. Ich schätze, dieser Mob wird jeden Augenblick zur Tat schreiten.«
Die Finger fest um seinen ledernen Steigbügel geschlungen, drückte sie sich an Cygnets zitternde Flanke und zwängte sich mit ihm durch die wogende Menge. Etwas Hässliches lag in der Luft, außerdem Angst und Zorn. Als sie sich umschaute, konnte sie nirgendwo auch nur einen einzigen blonden Kopf sehen, nur dunkle. Nur Olken. Die dicht an dicht stehenden Menschen machten ihr nur widerstrebend und unter lauten Beschwerden Platz, und sie drängten immer weiter vor, bis ein Wachmann, der am Eingang des Wachhauses stand, seine Pike senkte und sie zur Ordnung rief.
»Lasst mich vorbei!«, sagte Asher schroff. »Ich bin Asher, der Vizetribun für olkische Angelegenheiten. Ich bin im Auftrag des Prinzen hier.«
Dathne beobachtete, wie der Wachmann angespannt das teure Pferd betrachtete, die teuren Gewänder seines Reiters und schließlich sein Gesicht. Er ließ die Pike kaum merklich sinken. »Die Frau?«
»Gehört zu mir. Und nun tretet beiseite.« Asher drückte die Sporen in Cygnets Flanken. Das Pferd schnaubte, legte die Ohren an und tänzelte ein wenig umher. »Ihr dürft passieren«, sagte der Wachmann und trat beiseite.
Asher hielt die Zügel jetzt ein wenig lockerer, und Cygnet machte einen Satz nach vorne. »Immer mit der Ruhe, du alter Narr.« Er blickte hinab. »Alles in Ordnung mit dir, Dathne?«
Sie holte tief Luft. Ihr Herz hämmerte, und ihr Mund war trocken. Sie konnte noch immer das Drakonis riechen. »Mir geht es bestens. Lass uns diese Geschichte nur möglichst schnell hinter uns bringen, ja?« »Jawohl. Ganz meine Meinung«, erwiderte Asher, und gemeinsam traten sie durch die Tore des Wachhauses von Dorana.
Hauptmann Orrick von der Stadtwache war ein hagerer Mann mit scharfen Gesichtszügen in mittleren Jahren, der seine schlichte, dunkelrote Uniform trug wie eine zweite Haut. Sein dunkles, von Silberfäden durchzogenes Haar war noch kürzer geschnitten als das von Matt, und seine grauen Augen waren kühl und berechnend. Er stand vor dem Empfangstisch des Wachhauses und las die Nachricht, die Asher ihm reichte, zweimal. Dann blickte er auf.
»Ich hatte schon gehört, dass Seine Hoheit jemanden zum Vizetribun ernannt hat.«
»Ja, hm, dieser Jemand bin ich«, erwiderte Asher.
»Das behauptet Ihr.« Orrick musterte ihn. »Aber wir sind einander noch nicht offiziell bekannt gemacht worden.«
Asher zuckte mit den Schultern. »Es ist gerade erst passiert. Ich schätze, Seine Hoheit wird Euch offiziell darüber informieren, wenn es ihm passt. Vielleicht war er zu beschäftigt damit, sich die Zehennägel zu schneiden, um daran zu denken.«
Orricks schmale Lippen verzogen sich zu einer dünnen Linie. Wären sie nicht umringt gewesen von den nervösen Untergebenen des Hauptmanns, die alle aus den Fenstern blickten und leise über die wachsende Menge draußen sprachen, hätte Dathne Asher auf die Zehen getreten, und zwar mit Nachdruck. Pellen Orrick war der letzte Mann in Dorana, der einen ausgefallenen Sinn für Humor unterhaltsam fand.
»Seine Majestät hat mir die klare Anweisung gegeben, den Gefangenen von allen anderen abzusondern«, sagte Orrick. »Verstehe ich recht, dass Ihr von mir erwartet, einer gesetzmäßigen Anordnung des Königs zuwiderzuhandeln?«
»Hört mir zu«, erwiderte Asher seufzend. »Ich weiß nichts darüber. Ich weiß nur, dass Prinz Gar mich Hals über Kopf hierhergeschickt hat, damit ich einen schnellen Blick auf
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