König 02 - Königsmacher
diesen Stake aus Grundberg werfe. Ihr haltet sein mit seinem Siegel versehenes Schreiben in Händen. Wenn Ihr in einen Streit zwischen den Prinzen und seinem Pa geraten wollt, ist das Eure Angelegenheit. Meine Angelegenheit ist es, den Befehl des Mannes auszuführen, der mir nicht deshalb jede Woche eine fette Summe an Trin bezahlt, damit ich irgendwo herumstehe und mich um jede Kleinigkeit streite. Klar?«
Orricks kühler Blick wanderte zu Dathne hinüber. »Ihr werdet in dem Schreiben Seiner Hoheit nicht erwähnt, Frau Dathne.«
»Nein, aber ich werde erwähnt«, sagte Asher. »Und sie gehört zu mir. Sie will dem Gefangenen einen kleinen Trost bringen. Wollt Ihr etwa einem todgeweihten Mann in seinen letzten Tagen einen kleinen Trost verwehren? Das ist sehr hart, jawohl.«
Ungeheißen hielt Dathne dem Hauptmann ihren Beutel hin. Orrick nahm ihn entgegen und untersuchte den Inhalt. »Es ist nicht viel«, meinte sie. »Aber es ist ein wenig besser als gar nichts.«
»Ihr wisst, welches Verbrechens dieser Mann angeklagt ist?«, fragte Orrick, während er ihr den Beutel zurückgab.
»Ja, Hauptmann. Wie es aussieht, hat es sich herumgesprochen.« Orricks Miene verkrampfte sich. »Und obwohl Ihr es wisst, wollt Ihr ihm trotzdem etwas bringen? Diesem gotteslästerlichen Verräter?«
»Wie Ihr sagt, Hauptmann, bisher ist er nur angeklagt«, erwiderte sie, wobei sie den Blick züchtig gesenkt hielt. »Und Barl hat an Barmherzigkeit ebenso geglaubt wie an schnelle Vergeltung. Wenn seine Schuld bewiesen ist, wird er bald genug bestraft werden.«
Orrick stieß ein angewidertes, ungeduldiges Brummen aus. »Also schön. Ihr habt fünf Minuten, um den Auftrag Eures Prinzen auszuführen, Meister Asher.«
Er drehte sich zu einem seiner Männer um und schnippte mit den Fingern. »Bunder, bring den Vizetribun und Frau Dathne zu dem Gefangenen Spake! Bleib bei ihnen, während sie seine Finger und Zehen zählen, und bring sie anschließend sofort wieder her.«
Bunder salutierte, dann nahm er den Messingschlüssel entgegen, den Orrick ihm hinhielt. »Sehr wohl, Hauptmann!«
Dathne schenkte Orrick ihr schönstes Lächeln. »Wir sind Euch ja so dankbar, Hauptmann. Seine Hoheit wird sicher sehr zufrieden sein, nicht wahr, Asher?« Als Asher nur finster die Stirn runzelte, trat sie ihm nun doch auf die Zehen. »Au!«, rief er verärgert, dann begriff er. »Jawohl, er wird vor Freude ganz aus dem Häuschen sein.« Er schaute aus dem nächstgelegenen Fenster und wandte sich dann wieder zu Orrick um. Seine Miene wurde weicher. »Ich schätze, Ihr habt heute eine Menge um die Ohren, Hauptmann. Ihr werdet uns auch gleich wieder los sein.«
Orricks Blick verlor ein wenig von seiner Kühle. »Ich wäre Euch dafür sehr verbunden. Bunder?«
An einer Seite des Empfangstischs befand sich eine stabile Holztür. Der Wachmann öffnete sie für Asher und Dathne, ließ sie hindurchtreten und schloss die Tür dann wieder, bevor er sie durch einen Flur in den hinteren Teil des Gebäudes führte. Die Zellen zu beiden Seiten des Gangs waren leer. Das überraschte Dathne keineswegs; das Wachhaus füllte sich zumeist erst am Ende einer Arbeitswoche, wenn ein Übermaß an Frohsinn, Bier und verlorenen Pferdewetten zu Ärger führte. Während sie Bunder folgte, der mit steifem Rückgrat und zurückgezogenen Schultern voranging, und der Beutel auf ihrer Schulter hin und her hüpfte, wurde Dathnes Herzschlag immer lauter und schneller.
Was sie vorhatte, war schrecklich, schrecklich und gefährlich. Drakonis war kein auffälliges Gift. Es wirkte langsam, indem es die Blutgefäße im Gehirn schwächte. Einige Stunden nach dem Verzehr führte es zu heftigen Krämpfen, die den natürlichen Auswirkungen eines Schlaganfalls ähnelten. Nach einer Abfolge solcher Krämpfe verfiel das Opfer in eine Starre, aus der es nicht wieder erwachte, während es binnen zweier oder dreier Tage seinem Tod entgegendämmerte. Ihres Wissens nach war das Gift zweimal unter anderen gleichermaßen ernsten Umständen angewandt worden, und in keinem der beiden Fälle hatten die zu Hilfe gerufenen olkischen Heiler oder doranischen Pother die Ursache für die Erkrankung des Opfers entdeckt. Wie so viele andere Dinge war das Wissen um die Drakoniswurzel dem Dunkel des Vergessens anheimgefallen. Trotzdem ging sie ein furchtbares Risiko ein. Hauptmann Orrick war ein gewissenhafter Mann, der seine Befugnisse eifersüchtig hütete. Es bestand die Gefahr, dass er schon aus Prinzip
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