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Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Titel: Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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freiwillig Geschenke unters Volk.
    Die Kundenkarte trifft uns an einer empfindlichen Stelle: unserer Geiz-ist-geil-Mentalität. Wer die Chance wittert, einen Euro zu sparen, sieht darüber hinweg, dass er dafür noch mehr zusätzliches Geld ausgibt.
    Außerdem sollen mir firmengebundene Karten – etwa »Ikea Familiy« – ein Familiengefühl einimpfen. Die Firma umarmt mich als Shopping-Ehe-Partner, erklärt mein Portemonnaie zur Mitgift und führt mich an den Kaufaltar. Shopping bei einer anderen Firma? Pfui, das wäre ein Seitensprung! Solche Fehltritte kosten »Treuepunkte«.
    Der Angriff auf mein Geld erfolgt auf zwei Ebenen: auf der (scheinbar) rationalen, denn nur der Einkauf beim Kundenkarten-Aussteller verspricht den Punktevorteil; und auf der emotionalen, denn die Karte soll wie ein Ehering wirken und mich als Kunden exklusiv binden.
    Ob dieses Gift bei mir wirkt? Anfangs leider ja! Seit ich die Kundenkarte eines Kaufhauses besaß, rechnete ich im Kopf vorm Einkauf schon meinen »Punktevorteil« aus – als wäre jeder Euro, den ich zusätzlich ausgebe, ein Gewinn für mich. Ich verglich die Angebote nicht mehr mit denen der Konkurrenz (wie früher), sondern tappte preisschicksalsergeben in die Falle.
    Ein Markenanzug war mein erster großer Karteneinkauf. Eigent lich handle ich bei hochpreisigen Produkten einen Rabatt um die zehn Prozent aus. Da reicht schon der Verweis auf ein »günstiges Angebot im Internet«. Oder die Ankündigung, ich wolle mich noch ein wenig in der Stadt umsehen und käme dann »gegebenenfalls« zurück.
    Doch diesmal lief alles anders. Der Anzug sollte 399 Euro kosten. Ich bot 350 Euro. Der Verkäufer sagte: »Das verstehe ich vollkommen, dass Sie einen Rabatt wollen. Aber Sie sind doch Inhaber unserer Kundenkarte. Also bekommen Sie ohnehin einen Nachlass. Bei so einem hochwertigen Anzug lohnt sich das richtig. Doppelte Rabatte darf ich leider nicht gewähren, das ist Weisung der Firma.«
    Diese Argumentation war perfide: Nicht er, der ansprechbare Verkäufer, enthielt mir meinen Rabatt vor. Sondern seine Firma, eine unansprechbare juristische Person, hatte das Rabatt-Stoppschild in den Weg gestellt. Mit ihr konnte ich nicht verhandeln.
    Ich ließ mich auf den Kuhhandel ein: Mein Anzug kostete mich 399 Euro, über meine Kundenkarte bekam ich 399 Punkte zurück. Das klingt nach einer Riesenmenge, doch an der Kasse stellte sich heraus: Das waren 3,99 Euro. Pro ausgegebenem Euro gab’s einen Cent – ein Mini-Rabatt von einem Prozent. Beim freien Verhandeln hätte ich das Zehnfache sparen können.
    Die Kundenkarte ist Augenpulver. Sie täuscht Einsparungen vor. Der Blick des Kunden ist so sehr auf das Bonussystem fixiert, dass er seine eigentlichen Trümpfe aus der Hand legt. Er vergleicht keine Preise mehr. Er handelt keinen Rabatt aus. Er zahlt einfach nur.
    Die Gegenleistung der Firmen ist fragwürdig. Denn was geschieht mit den gesammelten Punkten? Ob Prämie oder Einkaufsgut schein – oft schaffe ich mir Überflüssiges an. Und weil die gesammelten Punkte selten ausreichen, lege ich aus eigener Tasche einen stattlichen Betrag drauf. Auf diese Weise wird mein Zahltag, auf den ich so lange gewartet habe, zu einem neuen Kassiertag für das Unternehmen.
    Kundenkarten machen Kunden ärmer, bestätigt die Gesellschaft für Konsumforschung: Wer sich eine Payback-Karte zulegt, gibt im dritten Jahr seiner Mitgliedschaft ein Viertel (!) mehr aus als im ersten. 72
    Aber dass wir Verbraucher als Unmündige behandelt werden, liegt oft daran, dass wir uns wie Unmündige verhalten. Wir sind nicht kon sequent genug, bei den günstigsten Anbietern zu kaufen; nicht mutig genug, die maximalen Rabatte auszuhandeln; und nicht politisch genug, unsere geballte Verbrauchermacht gegenüber den Unternehmen und dem Gesetzgeber auszuspielen. Würden wir uns an das günstigste Angebot halten und uns vom schönen Schein der Kun denkarten nicht blenden lassen, hätte der faule Zauber bald ein Ende.
    Rette sich, wer kann – eine Prämie!
    Mein Bildschirm flimmert wie eine Fata Morgana, pausenlos plop pen Kästen auf. Mein Blick irrt über die Homepage von Payback, dem größten deutschen Kundenkarten-Anbieter. Eine schlanke Sportlerin, mit Diätbuch im Arm, steht vor einer Waage: »Dieses Prämien-Paket verhilft Ihnen zur Sommerfigur.« Stimmt, letzten Winter habe ich ein paar Pfund zugelegt. Und wären läppische 200 Punkte (also zwei Euro) nicht ein Schnäppchenpreis? Doch als ich weiterlese, entdecke ich

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