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Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Titel: Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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zwischen die Zähne, während er einen Antrag unterm Tresen hervorzaubert.
    »Und die Risiken?«, hake ich nach.
    »Keine«, sagt er, »das ist ja« – schmatz, schmatz – »alles ganz offiziell.«
    »Und was ist mit dem Datenschutz?«
    »Ach so, ja der.« Hilflos fliegt sein Blick über das Formular. »Das ist schon alles in Ordnung. Das machen wir ja überall in Deutschland.«
    Ich schaue ihn streng an: »Nehmen wir mal an, ich kaufe einen schönen Blumenstrauß bei Ihnen, einen Strauß, den aber jemand anders als meine Frau bekommt – kann sie davon erfahren?«
    Sein teilnahmsloses Gesicht verzieht sich zu einem schmierigen Verbrüderungs-Grinsen: »Ach was, nie im Leben!«
    »Nehmen wir mal an, ich tanke bei Ihnen morgens zu einer Zeit, da ich längst im Büro sein sollte – aber mein Chef bekommt es nicht mit, weil er gerade in Urlaub ist. Kann er es von Ihnen erfahren?«
    Sein Grinsen wird breiter: »Nein, ach was. Den Teufel werden wir verraten!«
    Nun treibe ich es auf die Spitze: »Nehmen wir an, ich kaufe einen Liter Spiritus bei Ihnen – und in der Nacht darauf wird mit Spiritus eine Tankstelle angesteckt. Geben Sie der Polizei meine Adresse raus?«
    Sein Kumpelblick erlischt. Er kneift die Augen zusammen, als kämpften sie schon mit dem Rauch meines Pyromanen-Feuers: »Das wäre keine gute Idee. Aber an die Daten kommt außer unserer Firma keiner ran. Das gilt sicher auf für die Polizei.« (Wie löchrig der Daten schutz in einem solchen Fall tatsächlich ist, lesen Sie ab Seite 211.)
    »Eine letzte Frage habe ich noch«, sage ich in Columbo-Manier: »Bekommen Sie von Ihrem Arbeitgeber Geld geschenkt – ich meine: über Ihr Gehalt hinaus?«
    Er schaut verdattert: »Nein, warum sollte ich? Schön wär’s!«
    »Und welche Gründe fallen Ihnen ein, warum Ihre Firma mir Geld schenken sollte? Freiwilliger Rabatt, Punkte, Prämie – warum das alles?«
    Sein Kaugummi-Gesicht erstarrt. Er legt den Kopf in den Nacken, als würde er die Antwort an der Decke suchen. Nach einer gefühlten Ewigkeit sagt er: »Damit Sie günstig kaufen. Damit Sie ein zufriedener Kunde sind.«
    »Das heißt doch im Umkehrschluss: Kunden ohne Karte zahlen zu viel. Und sind womöglich unzufrieden.«
    Er verzieht sein Gesicht zu einer Grimasse: »Aber die Karte kann sich doch jeder holen!«
    »Stimmt«, sage ich und nehme ihm das Antragsformular aus der Hand.
    Im Hinausgehen frage ich: »Ach, wo finde ich denn bei Ihnen den Spiritus?«
    Er deutet auf ein Regal. Und wirkt etwas bleich um die Nase. Seine Kaumuskeln sind erschlafft. Jetzt grinse ich.
    PS: Von 15 Firmen, bei denen ich mir Kundenkarten-Anträge holte, war offenbar keine einzige auf die Idee gekommen, ihr Personal mit Blick auf den Datenschutz zu schulen – sämtliche Gespräche verliefen so substanzlos wie das obige. Kein Verkäufer konnte mir erklären, was mit meinen Daten geschieht. Niemand hatte eine überzeugende Antwort, warum mir die Firma Geld schenken sollte.
    Der Karten-Krieg
    Was passiert, wenn eine Firma zu mir sagt: »Wir möchten dir mehr Geld aus der Tasche ziehen!«? Wenn sie mich bedrängt: »Du sollst nur noch bei uns einkaufen, nirgendwo sonst!«? Wenn sie fordert: »Du sollst keine Preise mehr verhandeln!«? Dann empfinde ich das als Zumutung – und laufe zur Konkurrenz.
    Doch was passiert, wenn die Firma dieselben Botschaften mit einem Instrument der psychologischen Kriegsführung in meinem Kopf platziert: mit der Kundenkarte? Dann kann es geschehen, dass ich vordergründig hofiert, aber hinter meinem Rücken ausgenommen werde. Womöglich bedanke ich mich noch dafür.
    Die Kundenkarte ist eine raffinierte Falle, die an den Kassen der Republik zum Dummenfang ausgelegt wird. Die Beute kann sich sehen lassen: Laut Marktforschern sind schon über einhundert Millionen Karten im Umlauf. 71
    Aber was ist dumm daran, wenn man sich mit einer Karte günstigere Preise und Rabatte sichert? Nehmen Sie die Tankstellen: Welche Mineralölfirmen lassen mir als Karteninhaber einen Cent pro Liter nach? Vor allem jene, deren Benzin zwei oder drei Cent mehr als an freien Tankstellen kostet. Weil mein Gehirn in den »Spargang« schaltet, lasse ich die günstigen Angebote am Wegesrand liegen und tappe in die Kundenkarten-Falle.
    Den Kunden mehr Geld aus der Tasche ziehen, sie an Firmen fesseln und zurück in einen Zustand der Unmündigkeit schleudern: Das soll die Kundenkarte. Die Firmen treiben ihren Umsatzmotor auf neue Höchsttouren, tun aber so, als streuten sie

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