Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
verblüfft: Ich soll 37,99 Euro »zusätzlich« bezahlen.
Dann doch besser ein Traumurlaub! Ein Südseestrand wie aus dem Bilderbuch, mit türkisblauem Wasser, lässt in meinen Ohren die Wellen rauschen. Die Reise soll »statt 1 000 Euro jetzt nur 200 Punkte« kosten. Unter »jetzt zuschlagen« klicke ich die Offerte an. Doch ein etwas versteckter dürrer Satz sagt: »Bei mehr als drei Bestellern entscheidet das Los.« Keine Prämie – ein Gewinnspiel! In den Bestellbedingungen heißt es vielsagend: »Die von Ihnen angegebenen Daten werden während des Bestellzeitraums gespeichert und im Rahmen der Aktion genutzt.« Aha, daher weht der Südseewind! Ob Tellerset, Wanderrucksack, Bügeleisen, Heckenschere, Kamera, Rasenmäher, PC, Tennisschläger, DVD-Player, Handtasche oder Schlagbohrmaschine – die Prämie, die es bei Payback nicht gibt, muss erst noch erfunden werden. Wer genug Punkte auf seiner Karte hat, darf in diesem Schlaraffenland frei wählen.
Dass die Kunden vom auszahlbaren Rabatt auf die Prämienschiene gelenkt werden, ist eine strategische Meisterleistung. Müsste eine Firma dem Kunden 20 Euro ausbezahlen, würde es sie genau 20 Euro kosten. Dreht sie ihm eine Prämie für 20 Euro an, kostet es sie nicht einmal die Hälfe, weil der Einkaufspreis weit unter dem Verkaufspreis liegt. So lassen sich die Kosten pro Kundenkartenpunkt noch einmal halbieren.
Doch so richtig lukrativ wird der Trick erst, wenn der Kunde in ein so hohes Schnäppchenfieber verfällt, dass er nur einen Bruchteil der Prämie mit der Karte und den Rest mit neuem Geld begleicht. Dann sind die Punkte der Türöffner zum Portemonnaie des Kunden, aus dem dann die Hauptsumme fließt – denken Sie nur an das Diätpaket, bei dem die zwei Euro in Punkten nur das Feigenblatt für die fälligen 37,99 Euro sind.
Oder rechnet sich die Sache vielleicht doch, weil die Karten-Prämien besonders günstig sind? Zum Beispiel heißt es auf der Payback-Homepage bei einer modernen Kaffeemaschine: »Minus 30 Euro zum UVP«. Und für den Fall, dass ich diesen Wink mit dem Zaunpfahl nicht verstanden habe, werde ich noch einmal in Staubsaugervertreter-Manier aufgefordert: »Lassen Sie sich dieses Schnäppchen nicht entgehen!«
Wer sich die Mühe macht, die Preise zu vergleichen, fällt vom Schnäppchenglauben ab: Fast alle Prämien sind von anderen Anbietern billiger zu beziehen, ganz ohne Kundenkarte. Als die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen fünfzig solcher Prämien unter die Lupe nahm, enttarnte sie eine »herbe Schnäppchenfalle«. 73 Sogar Prämien, von denen Payback behauptete, sie würden »40 Prozent unter UVP« angeboten, waren in Online-Shops noch billiger zu bekommen.
Ob Küchengeräte, Kinderspielzeug oder Hörbücher – man kann die Produkte im Durchschnitt 20 Prozent billiger als bei Payback bekommen. Noch mehr Geld könnten die Kunden von Deutschlandcard sparen. Die dortigen »Traumprämien« werden von anderen Firmen 27 Prozent günstiger angeboten.
Vielleicht kaufe ich mir eine Waage. Oder eine Kaffeemaschine. Oder eine Südsee-Reise. Aber sicher nicht dort, wo man mir Prämienpunkte wie Sand in die Augen streut. Ich will ja nicht draufzahlen!
Daten-Verrat: Die Kunden und der Axtmord
Stellen Sie sich vor, Sie kaufen eine Axt, zahlen mit Ihrer Kundenkarte und fahren nichtsahnend nach Hause. Am nächsten Morgen läutet es Sturm an Ihrer Tür: Zwei Polizisten fordern Sie auf, ihnen aufs Revier zu folgen. Vor den Augen Ihrer verschlafenen Nachbarn müssen Sie in den Polizeiwagen steigen. Auf dem Revier werden Sie verhört und nach Ihrem Alibi für die letzte Nacht gefragt. Dabei haben Sie friedlich geschlafen!
Beim Verhör dämmert Ihnen: Offenbar hat sich ein Verbrechen ereignet. Offenbar war das Tatwerkzeug eine Axt. Und offenbar weiß die Polizei ganz genau, welches Werkzeug zuletzt mit Ihrer Kundenkarte gekauft wurde!
Was nach einem Szenario Franz Kafkas klingt, ist fast genau so in der Schweiz passiert: Ein Brandstifter legte sein Feuer mit Hilfe eines Werkzeugs, das ein Supermarkt vor Ort verkaufte. Die Daten sämtlicher Karten-Kunden, die dieses Werkzeug erstanden hatten, wanderten zu den Behörden. Jeder dieser Käufer wurde als potenzieller Verbrecher ins Visier genommen. 74
Ist der Datenschutz in der Schweiz lockerer als in Deutschland? Nein, denn auch bei uns erlaubt der Paragraf 28 des Bundesdatenschutzgesetzes, dass Daten unter anderem zur Verfolgung einer Straftat weitergegeben werden dürfen.
Jeder Müllsack,
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