König Artus
Euch fortgezogen bin, werden sie sich wie die Weinfliegen am Spundloch versammeln. Sie werden mich fragen: ›Was hat er gesprochen?‹ ›Wie sah er aus?‹ ›Hast du ihn dies, hast du ihn das gefragt?‹ ›Was hat er geantwortet?‹«
Sir Lancelot lächelte seinen Neffen freundlich an. »Interessiert sie das?«
»Ja, und noch mehr. Ihr seid der perfekte Ritter heutiger und vergangener Zeiten wie auch der im Schoß der Zukunft verborgenen. Die Menschen werden von Euren mit dem Schwert geschriebenen Taten erfahren, aber sie werden auch fragen: ›Was war er für ein Mensch?‹ ›Was hat er gesprochen?‹ ›War er fröhlich oder traurig?‹ ›Was hat er über dieses gedacht, was über jenes?‹«
Sir Lancelot blickte zum Waldrand hin, der sich vor ihnen erstreckte, und sagte in einem unbehaglichen Ton: »Warum sollten sie auf so etwas neugierig sein? Genügen Taten nicht? Sagt, sind Taten nicht genug?«
»Das ist es nicht, Sir. Die jungen Männer werden nach Anzeichen von Größe in sich selbst suchen, und sie werden dies und jenes, was nicht so eindrucksvoll ist, Tücken und dunkle Wirrnisse in sich entdecken. Sie werden wissen wollen, ob Euch jemals Selbstzweifel angefochten haben.«
»Ich hatte keinen Grund für Zweifel. Merlin hat ja alles vorausgesagt. Warum sollte jemand nach einer Schwäche an mir suchen? Was hat er davon?«
»Ich kann nur für mich selbst sprechen, Herr Onkel. Ich habe viele traurige Mängel, die mir um die Knie herumhüpfen wie hungrige Hunde. Wenn ich behaupten könnte, daß mich etwas mit Euch verbindet, dann wäre diese Größe nicht unerreichbar. Vielleicht trifft es auf jeden Menschen zu, daß er bei den Starken nach Schwäche Ausschau hält, um Hoffnung zu schöpfen, zu seiner eigenen Schwachheit könnte Stärke treten.«
Lancelot sagte ärgerlich: »Darauf lasse ich mich nicht ein. Wenn sich schon zuweilen Ermattung und Kälte, Hunger und, ja, Furcht in mir eingenistet haben, denkt Ihr denn, ich werde auch noch dem Zweifel die Tore öffnen und so die ganze Burg verlieren? Nein, das Tor ist geschlossen und die Zugbrücke hochgezogen. Sollen Eure jungen Ritter doch in ihrer eigenen Finsternis umhertappen. Wenn ich schwach wäre, würden sie darin keine Stärke finden, sondern nur Ausreden für ihre Schwäche.«
»Aber wenn Ihr das Tor schließt, Sir, erkennt Ihr doch den Feind an.«
»Meine Waffen sind Schwert und Lanze, nicht Worte.«
»Es muß wohl so sein«, sagte Lyonel. »Ich werde den anderen sagen, daß Ihr weder Furcht empfindet, noch von Zweifeln geplagt werdet.«
»Das übersteigt Euer Wissen, junger Mann. Wahrheitsgemäß könnt Ihr nur sagen, Ihr habt keinen Hinweis darauf gefunden, falls es so ist.«
Eine Zeitlang ritten sie schweigend dahin, und dann sagte Sir Lyonel: »Ich muß eine Frage stellen, selbst wenn ich Euer Mißfallen riskiere, Sir.«
»Fragen haben mich immer eher gelangweilt als erzürnt. Also dann, was für eine Frage? Das soll aber dann die letzte sein.«
»Sir, es gibt auf der ganzen Welt keinen Ort, wo Euer Name unbekannt ist.«
»Man sagt mir, daß es so sei.«
»Und Ihr geltet als der vollkommenste Ritter der Welt.«
»Ich habe mich bemüht, es zu werden.«
»Ihr seid in Eurer Vollkommenheit allein.«
»Bis ein Besserer kommt. Jeder kann sie anfechten. Aber das sind Feststellungen oder Ansichten. Wie lautet die Frage?«
»Genügt sie Euch?«
»Was?«
»Ist Euch Eure Vollkommenheit genug?«
Ein Anfall schwarzen Grimms schüttelte Sir Lancelot, verzerrte seine Lippen, so daß sie die Zähne entblößten. Die rechte Hand schnellte wie eine Schlange nach dem Schwertgriff, und die silberne Klinge glitt halb aus der Scheide. Lyonel spürte schon den Hauch des Todesstreiches seine Wange streifen.
Dann sah er in ein und demselben Mann einen so wilden Kampf entbrennen, wie er ihn noch nie zwischen zwei Männern erlebt hatte. Er sah, wie Wunden geschlagen und empfangen wurden, wie es ein Herz beinahe zerriß. Und er sah auch den errungenen Sieg, das Abebben der Wut, sah Lancelots bitteren Triumph, die von Schweiß umflossenen, fiebernden, wie bei einem Habicht fast geschlossenen Augen, sah den rechten Arm an die Leine gelegt, indes die Klinge wieder in ihren Zwinger zurückglitt.
»Hier ist der Wald zu Ende«, sagte Sir Lancelot. »Ich habe sagen hören, der Wald hört auf, wo der Kalkboden anfängt. Wie golden das Sonnenlicht auf dem goldenen Gras liegt! Nicht weit von hier steht an einem Hang die Figur eines Riesen mit einer Keule,
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