König Artus
und ich weiß eine andere Stelle mit einem riesigen Schimmel. Und niemand weiß zu sagen, wer sie gemacht hat und wann.«
»Sir …«, begann Lyonel.
Und der größte Ritter der Welt wandte sich ihm lächelnd zu. »Sagt ihnen, daß ich schläfrig war«, sagte er. »Sagt ihnen, daß ich schläfriger als jemals in den vergangenen sieben Jahren war. Und sagt Euren jungen Freunden, daß ich nach einem schattigen Plätzchen Ausschau hielt, um Schutz vor der Sonne zu finden.«
»Zur Linken sehe ich einen Apfelbaum, Sir.«
»Ach, ja? Reiten wir hin, denn die Augen sind mir schwer.«
Da wußte Lyonel, wie hart der Kampf und wie erschöpfend der Sieg gewesen war, doch der Siegespreis – der Preis war Schlaf des Vergessens.
Sir Lancelot legte sich unter dem Apfelbaum ins Gras, mit dem Helm als Kopfkissen, und sank in die dunkelste aller Höhlen des Vergessens. Sir Lyonel setzte sich neben seinen Onkel. Er war sich bewußt, daß er eine Größe erschaut hatte, die den Verstand überstieg, und einen Mut, der Worten etwas Feiges gab, und einen Frieden, der mit höchster Qual erkauft werden mußte. Und Lyonel kam sich klein und niedrig wie eine Schmeißfliege vor, während Sir Lancelot wie aus Alabaster gemeißelt dalag und schlief.
Während Sir Lyonel für den schlafenden Ritter Wache hielt, dachte er an die endlosen Reden im Kreis der jungen Ritter, die den Tod feierten, ohne gelebt, die Zweikämpfe kritisierten, ohne jemals ein Schwert in der Hand gehalten zu haben, Verlierer, die nie eine Wette gewagt hatten. Er erinnerte sich, daß sie gesagt hatten, dieser Ritter, der hier schlief, sei zu dumm, um seine Lächerlichkeit zu erkennen, zu arglos, um das Leben um sich herum wahrzunehmen, inmitten von Verrottung überzeugt, daß Vollkommenheit zu erlangen sei; ein Schwärmer und gefühlsseliger Träumer in einer Welt, in der nüchterne Realität das Szepter führte, ein Anachronismus schon, ehe die Erde geboren wurde. Lyonel hörte in der Erinnerung blasierte Unfähigkeit, Schwäche und Armseligkeit höhnen, daß Stärke und Größe Illusion seien – die Sprache der Feigheit, mit der Rüstung der Weisheit aufgeputzt.
Sir Lyonel wußte, daß dieser schlafende Ritter ohne Säumen und Verzweiflung auch in eine ihm gewisse Niederlage sprengen und schließlich in ritterlicher Haltung seinen Tod hinnehmen würde, als wäre es ein Siegespreis. Plötzlich wurde Lyonel klar, warum Lancelot mit eingelegter Lanze durch die Zeiten galoppieren und damit Menschenherzen einsammeln werde wie Stechringe. Lyonel traf seine Entscheidung, und er wählte Lancelots Seite. Er vertrieb eine Schmeißfliege vom Gesicht des Schlafenden.
Der Himmel war klar, und die Sonne auf ihrer Mittagshöhe schob den Schatten des einsamen Apfelbaums zu einem kleinen Fleck zusammen. Durch die Hitze löste sich ein Apfel, und Lyonel fing ihn in der Luft über Lancelots Gesicht auf. Er biß ihn an. Der Apfel war grün und sauer und wurmstichig, so daß Lyonel ihn wegwarf und das bittere Fleisch auf die Erde spuckte. Die wellige Ebene dehnte sich nach Süden, wo sie an einen Hügel stieß, der mit grasbewachsenen Wällen und acht gewaltigen tiefen Gräben zur Verteidigung umgeben war, eine uralte, verfallene Festung der toten Götter oder eines vergessenen, götterähnlichen Volkes von Riesen. Die Hitze tauchte das ferne Bild in ein Flirren und die Festung und die Ebene in einen Traum. Die brummenden Flügel einer Hummel lenkten Lyonels Augen zurück auf den schlafenden Ritter, und er wedelte das honigschwere Biest weg. Lancelot schlief so tief, daß nicht zu sehen war, wie er atmete. Sein Gesicht zeigte die Anmut von Würde und Unschuld, und die Oberlippe war in einem zarten Lächeln aufwärts gebogen. Er erschien Sir Lyonel wie von einer gütigen Fee zu Marmor verzaubert oder in einer vollkommen dichten Hülle, aus der die Seele nach einem erfüllten Leben und einem friedlichen Tod entschwebt war. Der junge Ritter liebte diesen Onkel und wollte ihn vor dem eklen Schimmel des niedrigen Bösen, miserabel aus Enttäuschung, und schäbiger Seelen beschirmen, die ihre Armseligkeit und Nacktheit in Zynismus kleiden. Er spürte, wie von dieser gelassenen Größe gleichsam Wellen ausgingen, die ihn berührten, und es überkam ihn der Wunsch, mit diesem Mann durch mehr als nur durch Blutsbande verbunden zu sein – vielleicht durch eine mutvolle Tat, von Lyonel vollbracht und Sir Lancelot geweiht.
Das Gras und die Sommerblumen, golden und blau, sangen, von Bienen
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