König Artus
Onkel?«
»Wir müssen behutsam vorgehen. Wenn wir unsere Absicht laut werden lassen, wird am Hof Betrübnis einziehen. Es ist sogar denkbar, daß das Königspaar uns die Ausfahrt verbietet. Darum wollen wir uns in aller Stille bereit machen und heimlich aufbrechen. Sollte unser Fortgehen Kummer oder Zorn zur Folge haben, wird sich beides geben, sobald die Kunde von unseren Abenteuern nach Camelot dringt.«
Lyonel unterdrückte ein Lachen, und später, am Brunnen, sagte er: »Und darauf habe ich gesagt: ›Das ist wohl überlegt, Sir. Es wird geheim bleiben wie ein Sobbet.‹«
»Was ist das, ein Sobbet?«
»Er hat nicht danach gefragt. Warum solltet ihr es erfahren? Und dann habe ich gesagt: ›Ja, wir werden davonziehen wie Rauch. Aber es wäre vergnüglich, ihre Gesichter zu sehen, wenn sie unser Verschwinden bemerken.‹«
Sie bereiteten sich derart geheimnistuerisch auf ihre Ausfahrt vor, mit undurchsichtigen Worten und an die Lippen geführten Fingern, mit geflüsterten Besprechungen in abgelegenen Winkeln, daß die Hunde in den Sälen und die Tauben auf den Türmen spürten, etwas Ungewöhnliches bahnte sich an. Sir Lancelot und sein Neffe entwarfen ihre Pläne an versteckten Orten, so daß einige der weniger intelligenten Ritter dem König von verräterischen Umtrieben berichteten. Sie sprachen: »Was haben die beiden im Schatten des Torturms, in strömendem Regen miteinander zu tuscheln, wenn sie loyal gesinnt sind?« Worauf die Königin erwiderte: »Ich wäre besorgter, wenn sie in der großen Halle Flüsterreden führten.«
In weiten Mänteln, unter den Falten der Kapuzen verborgen, berieten sie sich, während der Wind um ihre Beine peitschte. »Ihr müßt mich belehren, Sir«, sagte Lyonel. »Ich habe noch nie gekämpft, ja, noch nicht einmal einen Drachen gesehen.«
»Seid unbesorgt, mein Junge«, sagte Lancelot. »In Frankreich bin ich Drachen und Riesen begegnet. Ihr werdet welche sehen, wenn die Zeit dafür reif ist. Habt Ihr dafür gesorgt, daß die Pferde aus den Mauern hinausgebracht werden?«
»Ja, Sir.«
»Und habt Ihr den Knappen eingeschärft, nichts zu verraten?«
»Ja, Sir.«
»Wir müssen zur Beichte gehen und unsere Sünden bekennen«, sagte Lancelot. »Ein Ritter muß für den Tod ebenso gerüstet sein wie für einen Feind.«
»Das hätte ich vergessen«, sagte Lyonel.
Die Knappen verpflichteten ihre Fräulein zum Schweigen, die sich das gleiche von ihren Schwestern versprechen ließen, welche wiederum ihre Liebsten erst einweihten, nachdem diese Schweigen gelobt hatten, bis schließlich der König sagte: »Ich wollte, sie wären endlich fort, meine Teure. Sie bringen die ganze Stadt in Aufruhr.«
»Es ist bald soweit«, sagte Guinevere. »Sir Lancelot hat mich heute um meinen kleinen blauen Schleier gebeten. Er sagte, er wollte etwas haben, was zur Farbe seines Wappenzeichens paßt.«
Und als sich schließlich die beiden fahrenden Ritter in der Nacht aus der Stadt schlichen, wurden sie dabei von Hunderten von Augen beobachtet, und hinter den Mauerzinnen verbargen sich viele Zuschauer. Außerhalb der Mauern lösten sich die Knappen aus den Armen ihrer Fräulein.
Sie waren schon weit fort und vor jeder Entdeckung gefeit, als der Tag anbrach und die Welt der fahrenden Ritter entschleierte – einen tiefen, grünen Wald, aus dem Hintergrund des Morgens hervortretend wie eine Tapisserie. Es war ein Tag, der sich bereitete, der Ausfahrt von Rittern Farbe und Form zu geben. Ein großer Hirsch hob das Haupt mit dem stolzen Geweih, frei von Furcht in dem Wissen, daß die Ritter nicht zum Jagen ausgezogen waren, und sah ihnen zu, wie sie vorüberritten. Auf einer Lichtung, überschüttet von den Pfeilen des Sonnenlichts, schlug ein Pfau ein großes Rad, glitzernd wie ein Juwel. Die Kaninchen hatten keine Angst, hoben sich auf ihren Hinterläufen, streckten die Ohren hoch und drückten die Vorderpfoten dicht an die Brust. Und der Wald hallte wider vom Tirilieren der Vogelstimmen. Die Knappen plapperten von diesem und von jenem, bis Lancelot sich umwandte und sie mit einem Blick zum Schweigen brachte.
Sir Lyonel atmete schwer. »Es scheint mir ein richtiger Tag für eine Ausfahrt zu sein, Sir.«
»Der Tag ist ideal«, sagte Lancelot.
»Soll ich sprechen oder muß ich schweigen, Onkel?«
»Das kommt drauf an. Wenn sich in Euren Worten unsere Ausfahrt spiegelt, wie sie sich in diesem Tag spiegelt, wenn Eure Rede stolz ist wie der Hirsch, edel wie der Pfau, bescheiden und frei von
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