König Artus
davonstoben wie eben flügge gewordene Moorhühner.
»Euer Fräulein ist noch nicht da«, sagte sie. »Auch ihr Vater nicht. Aber sie werden willkommen sein, und Ihr könnt hier auf sie warten.«
Lancelots stumme Dienerin – die Beobachtung – meldete ihm, daß die Äbtissin trotz ihres Lächelns nicht gütig von Natur war.
»Ich bin diesem Fräulein und ihrem Vater einen Dienst schuldig«, sagte er. »Sie hat mich aus den Händen von vier bösen Zauberinnen befreit.«
»Sehr gut«, sagte die Äbtissin. »Natürlich wäre es richtiger gewesen, Ihr hättet Euch an die Kirche gewandt.«
»Dann wäre ich jetzt noch dort, Madame. Die Kirche war nicht zur Hand.«
»Trotzdem«, sagte sie, »es hätte sich so gehört. Die Kirche hat das Amt, diese Dinge, viele Dinge zu besorgen. Doch in jüngster Zeit haben wir erleben müssen, daß Dinge getan oder versucht wurden, die besser unseren geschulten Händen überlassen blieben. Es ist nicht meine Gewohnheit, um den Brei herumzureden, Sir. Ich spreche von den fahrenden Rittern, die derzeit im Auftrag des Königs, wie sie behaupten, überall das Land durchstreifen. Das wird zu nichts Gutem führen. Ich hoffe, Ihr werdet meine Worte weitertragen.« Sie liebkoste ihre riesigen Hände, an denen jeder einzelne Finger mit einem steingeschmückten Ring bewehrt war.
»Ich weiß davon«, sagte Lancelot. »Die Sache dient verschiedenen Zwecken. Es hält die jungen Ritter kriegstüchtig, bringt ihnen Sinn für Gerechtigkeit und Selbstbeherrschung bei, unterweist sie in der Amtswaltung der Regierung und unterbindet kleine Rebellionen, denn was sind Verbrechen anderes als kleine Akte des Aufruhrs? Und schließlich – vielleicht das Wichtigste, wird dadurch nicht nur die königliche Autorität in fernen Gegenden gewahrt, sondern der König erhält auch Kunde vom Zustand des Reiches.«
»Das mag ja sein, Sir«, sagte sie. »Aber es ist auch hinderlich für diejenigen, die diese Dinge so lange besorgt haben. Wir sind durchaus imstande, selber unsere Leute aufzuknüpfen. Doch wenn der Rechtswahrung halber die Einziehung des Zehnten und der anderen Abgaben und unsere Privilegien beeinträchtigt werden, stört das nicht nur das Gleichgewicht, sondern es stiftet auch Unruhe und leitet sogar zu offener Empörung an. Die königliche Regierung sollte keine Veränderungen fördern, die denjenigen, die sie betreffen, unerwünscht sind. Denkt an mein Wort: Es wird Schwierigkeiten geben. Ihr könnt dem König bestellen, daß ich das gesagt habe.«
»Wenn aber nun die Mißstände nicht abgestellt werden, Madame?«
»Hört zu«, sagte sie erregt. »Ich sage nicht, daß die Idee schlecht ist – sie ist nur unüberlegt. Die Ritter haben es mit Kräften zu tun, die sie nicht verstehen. Mit den besten Absichten der Welt ist oft der Weg zur Hölle gepflastert. Ich könnte Euch Beispiele nennen.«
»Aber ich muß noch einmal darauf hinweisen, Madame: Wenn die Mißbräuche nicht von den Organen abgestellt werden, in deren Händen …«
»Jetzt schweigt einmal, Herr Ritter«, sagte sie, und ihre kalten Augen wurden undurchdringlich für ihn. »Selbst der verantwortungsloseste der fahrenden Ritter würde wohl nicht bestreiten, daß die Welt von Gott, unserem himmlischen Vater, erschaffen wurde.«
»Gewiß nicht, Madame. Sie sind ja …«
»Und alle Dinge, die darin sind, Sir?«
»Natürlich.«
»Könnte es dann nicht sein, daß die Abschaffung von Dingen, die Gott erschaffen hat, sein Mißfallen fände? Ihr geht die Sache verkehrt an. Es ist durchaus möglich, daß die sogenannten irdischen Übelstände in die Welt gebracht wurden, um den Menschen zu erziehen und zu züchtigen.«
»Frau Äbtissin, Ihr dürft nicht denken, daß ich mir herausnehmen würde, mit Euch über Dinge der Religion zu streiten«, beteuerte er. »Das würde mir niemals einfallen.«
»Sieh an«, sagte sie, »endlich ein bißchen Demut.« Sie atmete schwer, und ihre Wangen, die ein flammendes Rot angenommen hatten, schienen sich aufzublähen und zusammenzusinken wie ein mißratenes Omelette.
»Ihr würdet keine Einwände erheben, Madame, wenn die fahrenden Ritter sich auf Drachen, Riesen und Hexenmeister beschränkten?«
Sie machte eine traurige Handbewegung. »Das Leben ist ohnehin schon schwer und häßlich genug«, sagte sie. »Warum müssen sie unerfreuliche, häßliche, böse Dinge ans Licht ziehen, um uns zu erschrecken und zu betrüben? Was ist denn verkehrt an den Turnieren und Tjosten der guten alten Zeit? Unsere
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