König Artus
Lancelot erschlagenen Syr Tarquin ritt. Und dort fand er einen Bauern als Pförtner vor, der viele Schlüssel aufbewahrte. Da warf Sir Gaherys den Pförtner auf den Boden und nahm ihm die Schlüssel ab; und eilends öffnete er die Kerkertüre und ließ alle Gefangenen heraus, und ein jeder löste einem andern die Fesseln.
Gaheris entdeckte hier viele Freunde und Ritter von der Tafelrunde. Er berichtete ihnen, daß Sir Lancelot Tarquin getötet, sie errettet und beauftragt habe, an König Artus’ Hof auf ihn zu warten. Sie fanden in den Ställen ihre Pferde vor, während in der Rüstkammer ein jeder seine eigene Rüstung heraussuchte, und danach schmausten sie in Tarquins Küche gebratenes Wild. Sir Lyonel aber und Sir Ector de Marys und Sir Kay, der Seneschall, beschlossen, Sir Lancelot nachzureiten und sich seiner Ausfahrt anzuschließen. Nachdem sie gegessen und anschließend geruht hatten, brachen sie auf, und unterwegs erkundigten sie sich nach Lancelot.
Nun kehren wir zu Sir Lancelot zurück, der schließlich zu einem ansehnlichen Besitztum kam, wo ihn eine alte Edelfrau willkommen hieß. Sie bewirtete ihn mit gebratenem Fleisch, Blutwurst und einer fetten, stark gewürzten Schweinefleischpastete. Die hochbetagte Schloßherrin erinnerte sich noch an König Uthers Hof in jenen Tagen, als sie jung und schön gewesen war. Sie brachte Lancelot Wein und bat ihn zu erzählen, wie es an Artus’ Hof zugehe, welche Damen bewundert würden, was sie für Kleider trügen, wie die Königin aussehe und was sie spreche. Die alte Dame hätte den Ritter bis zum Morgengrauen ausgefragt, aber er bat sie, sich zur Ruhe begeben zu dürfen. Schließlich ließ sie ihn ein angenehmes Gemach über dem Burgtor aufsuchen. Er legte seine Rüstung auf eine Eichentruhe und sank in ein tiefes, weiches Bett aus sauberen weißen, wolligen Schafsfellen, das erste Bett, in dem er seit geraumer Zeit schlief. Er war gerade in einen traumlosen Schlaf geglitten, als an das Tor unterhalb seines Gemachs laut und dringlich gepocht wurde. Lancelot sprang aus dem Bett, blickte zum Fenster hinaus und sah einen Ritter, der von drei anderen bedrängt wurde. Der Ritter wehrte sich, schlug zugleich ans Tor und rief um Hilfe. Sir Lancelot wappnete sich, sprang durchs Fenster hinab und begann auf die drei attackierenden Ritter einzuhauen. Er streckte einen nach dem anderen zu Boden und hätte sie getötet, wenn sie ihn nicht um Gnade gebeten hätten.
»Ihr habt Euch mit Schande befleckt«, sagte Lancelot. »Es ist nicht Ritterart, zu dritt gegen einen einzelnen zu kämpfen. Deshalb werdet ihr euch nicht mir ergeben, sondern diesem Ritter und in seinem Namen König Artus’ Hof aufsuchen und euch der Königin unterwerfen.«
Der Ritter, der allein war, rief: »Ihr seid Lancelot!«, klappte das Visier hoch, und dahinter erschien Sir Kays Gesicht. Dann umarmten und küßten die beiden einander in inniger Freude.
Darauf sagte einer der besiegten Ritter: »Sir, wir wollen uns nicht Sir Kay ergeben, den wir ja bereits besiegt hatten. Es ist eine Ehre, sich Lancelot zu ergeben, aber zu behaupten, Sir Kay habe uns überwältigt, würde Gelächter hervorrufen.«
Lancelot zog wieder das Schwert aus der Scheide. »Ihr habt die Wahl«, sagte er. »Ergebt euch oder macht euch zum Sterben bereit.«
»Nun, wenn die Sache so steht, Sir …«
»Am nächsten Pfingstfest«, sagte Lancelot, »werdet ihr euch Guinevere unterwerfen und sagen, daß Sir Kay euch als seine Gefangenen geschickt hat.«
Dann schlug Lancelot mit dem Griff seines Schwertes ans Tor, bis es geöffnet wurde. Und die alte Dame war erstaunt, ihn zu sehen. »Ich dachte, Ihr seid zu Bett gegangen. Wie kommt Ihr hierher?«
»Ich ging schlafen, aber dann sprang ich aus dem Fenster, um diesem alten Freund von mir beizustehen. Und ich nehme ihn mit, damit er bei mir ruhen kann.«
In dem Gemach über dem Tor dankte Sir Kay seinem Freund dafür, daß er ihm das Leben gerettet hatte. »Seit ich mich aufgemacht habe, Euch zu suchen, Sir, mußte ich einen Kampf nach dem andern bestehen.«
»Das ist eigenartig«, sagte Lancelot. »Schon seit vielen Tagen habe ich keinen gefunden, der sich mir zum Kampf stellte.«
»Nun, es könnte sein, daß Männer, die alles dafür tun würden, mit mir zu kämpfen, alles dafür gäben, um einer Begegnung mit Lancelot zu entgehen. Das Wappenzeichen an Eurem Schild dürfte so manchen veranlassen, sich die Sache lieber zweimal zu überlegen.«
»Daran hatte ich nicht
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