König Artus
gedacht«, sagte Lancelot.
Sir Kay sagte: »Alter Freund, ich würde mit Euch gern über ein bestimmtes Thema sprechen, wenn Ihr mir versprecht, nicht ärgerlich zu werden.«
»Wie könnte ich auf Euch ärgerlich werden?« sagte Lancelot. »Sprecht nur!«
»Es handelt sich um eine Sache, die mich sehr bedrückt, Sir. Seit Ihr den König verlassen habt, sind besiegte Ritter im Gänsemarsch dahergekommen, um sich der Gnade der Königin zu unterwerfen. Jetzt werden auch noch alle Gefangenen aus Tarquins Verliesen am königlichen Hof eintreffen.«
»So ist es mein Brauch«, sagte Lancelot. »Es macht der Königin Freude, wenn edle Ritter sich ihrer Huld ergeben. Was gibt es dagegen zu sagen?«
»Edel mögen sie ja sein, Sir, aber sie sind auch ausgehungert. Sie treffen in ganzen Schwärmen, wie Heuschrecken, ein und leeren die Speisekammern des Königs. Ein besiegter Ritter ist womöglich noch hungriger als ein siegreicher.«
»Es bereitet dem König Freude, gastfreundlich zu sein, Sir.«
»Das weiß ich. Er liebt es, mit beiden Händen, in Fülle zu geben – aber ich bin der Seneschall. Und ich muß diese Fülle herbeischaffen und aufzeichnen, was alles verzehrt wird.«
»Der König ist eben kein Knicker.«
»Das weiß ich wohl. Er denkt nie darüber nach, bis das letzte Bröselchen aus dem Vorratsschrank geholt ist. Dann sagt er zu mir: ›Kay, ich weiß nicht, wohin all diese Sachen verschwinden. Erst vergangene Woche haben wir zehn Rinder geschlachtet und sechs Fuhren Heringe eingesalzen. Seid Ihr Euch sicher, daß Ihr alles kontrolliert? Könnte es sein, daß die Küchenjungen mausen?‹ Darauf sage ich ihm, wie viele edle Ritter an seiner Tafel speisen, und er gibt nur zur Antwort: ›Ja, ja …‹ und hört gar nicht zu, sondern fährt fort: ›Ich muß mir eines Tages Eure Buchhaltung ansehen.‹ Wenn Ihr also Eure Ausfahrt noch viel länger ausdehnt, Sir, werden unsere edlen Gefangenen uns noch arm fressen. Sobald sie sich der Königin ergeben haben, machen sie es sich gemütlich und bleiben wochenlang am Hof.«
Lancelot lachte. »Armer Kay«, sagte er. »Die Sorge sitzt Euch im Nacken. Soll ich die Ritter fragen, ob sie gut mit Proviant versehen sind, ehe ich mit ihnen kämpfe?«
»Lacht nicht über mich«, sagte Kay. »Alle lachen über mich. Ich sage Euch, das ist eine ernste Sache. Ein einziger von Euren Gefangenen ist imstande, auf einen Sitz ein halbes Schaf zu vertilgen … und das Bier … das Bier fließt in Strömen. Sagt aber bitte dem König nichts davon, daß ich zu Euch darüber gesprochen habe. Es würde ihn zornig machen. Er achtet nicht auf das Geld oder die Vorräte, bis er nichts mehr hat, und dann wird mir die Schuld daran gegeben. Kay muß knauserig sein, damit der König spendabel sein kann.«
»Daran hatte ich nicht gedacht«, sagte Lancelot. »Aber ich weiß auch nicht, was ich tun könnte.«
»Und dabei sind es nicht nur die Ritter«, sagte Kay in schmerzlichem Ton. »Jeder von ihnen hat Knappen und Zwerge und Fräulein bei sich. Für Euch mögen sie entzückend sein, voll Geist und Anmut, für mich aber sind sie gierige Ungeheuer.«
»Nun ja, jetzt geht schlafen«, sagte Lancelot. »Ich verspreche Euch, nur noch gegen wohlgenährte Junggesellen zu kämpfen.«
»Jetzt macht Ihr Euch wieder über mich lustig«, sagte Kay. »Ihr habt keine Ahnung, wie ich mich nach der Decke strecken muß. Ihr glaubt, der Braten wachse auf den Bäumen. An den Seneschall denkt keiner. Ich kann Euch sagen, vor dem Pfingstfest oder der Pentekoste, wenn viele Leute zusammenströmen, tue ich kein Auge zu. Nie hat man einen Dank, aber wenn irgend etwas nicht glattgeht … O ja, dann erinnert man sich meiner. Manchmal wäre ich am liebsten ein Küchenjunge.«
»Ihr seid aber keiner, mein Freund. Ihr seid mein teurer, gütiger, aufmerksamer Sir Kay, der wunderbarste Seneschall, der je auf Erden gelebt hat. Die frohen, satten Bäuche am Hof verewigen Euren Namen. Ohne mich käme die Welt ganz gut zurecht, doch ohne Euch, Sir Kay, könnte kein einziger Tag vergehen.«
»Ihr sagt das nur, um mich zu begütigen, Sir«, sagte der Seneschall. »Aber Ihr wißt, es steckt ein Körnchen Wahrheit in dem, was Ihr sagt.«
Nun saß Lancelot stumm da, und in seinen Augen stand ein Staunen.
»Warum macht Ihr so ein trauriges Gesicht, Sir?« fragte sein Freund.
»Nicht traurig – oder vielleicht doch. Ich habe eine Frage, aber Ihr werdet sie möglicherweise als kränkend empfinden.«
Kay sagte: »Ich kenne
Weitere Kostenlose Bücher