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König Artus

König Artus

Titel: König Artus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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meinen Freund so gut, daß ich mir gewiß bin, er würde mich nicht kränken. Was wollt Ihr also wissen?«
    »Ihr seid der Milchbruder des Königs.«
    Kay lächelte. »Das bin ich. Wir haben an derselben Brust gesogen, wurden zusammen gewickelt, haben gemeinsam gespielt, getobt, gejagt, den Umgang mit den Waffen erlernt. Ich hielt ihn für meinen Bruder, bis ich erfuhr, daß er König Uthers Sohn war.«
    »Ja, ich weiß. Und in den ersten schweren Jahren habt Ihr an seiner Seite wie ein wahrer Löwe gekämpft. Euer Name hat in den Herzen von Artus’ Feinden Angst und Schrecken ausgelöst. Als die fünf Könige des Nordens Artus bekriegten, habt Ihr mit Euren eigenen Händen zwei von ihnen getötet, und der König selbst sagte, Euer Name werde für alle Zeiten unvergessen bleiben.«
    Kays Augen leuchteten. »Das ist wahr«, sagte er leise.
    »Was ist geschehen, Kay? Was ist mit Euch geschehen? Warum werdet Ihr verspottet? Was hat Euer Herz verzagen lassen und Euch kleinmütig gemacht? Könnt Ihr mir das sagen – wißt Ihr es?«
    Kays Augen glänzten noch, nun aber nicht mehr vor Stolz, sondern weil Tränen darin standen. »Ich glaube, ich weiß es«, sagte er, »aber ich frage mich, ob Ihr es verstehen könntet.«
    »Sprecht, mein Freund.«
    »Granit, so hart, daß ein Hammer daran zerbricht, kann von Sandkörnchen, die sich bewegen, abgeschliffen werden. Und ein Herz, das unter großen Schicksalsschlägen nicht zerbricht, kann zerfressen werden von nagenden Zahlen, dem Kriechgang der Tage, der abstumpfenden Tücke des Kleinen, des wichtigen Nichtigen. Ich stand im Kampf meinen Mann, aber ich wurde von den Zahlenkolonnen auf einem Blatt besiegt. Stellt Euch vierzehnmal eine XIII vor – ein kleiner Drache mit einem Stachelschwanz. Oder einhundertachtmal eine CVIII – ein kleiner Sturmbock. Wenn ich nur nie Seneschall geworden wäre! Für Euch ist ein Fest etwas Festliches – für mich ist es ein Buch voller bissiger Ameisen. Soundso viele Schafe, soundso viel Brot, soundso viele Schläuche voll Wein, und ist vielleicht das Salz vergessen worden? Wo ist das Horn des Einhorns, um den Wein des Königs zu prüfen? Zwei Schwäne sind verschwunden. Wer hat sie gestohlen? Für Euch bedeutet der Krieg Kampf. Für mich besteht er aus soundso vielen Eschenholzstangen für Lanzen, soundso vielen Stahlbändern. Für mich heißt er: Zelte, Messer, Lederriemen zählen, zählen und zählen, Brote zählen. Es heißt, die Heiden hätten eine Zahl erfunden, die nichts – von nichts etwas – ist, geschrieben wie ein O, ein Loch, ein Abgrund. Ich könnte dieses Nichts ans Herz drücken. Seht, Sir, habt Ihr jemals einen Mann der Zahlen gekannt, der nicht klein und kleinlich und ängstlich wurde – alles Große an ihm von kleinen Zahlen weggefressen, wie wenn marschierende Ameisen an einem Drachen nagen und nur abgefressene Knochen zurücklassen. Männer können groß und fehlbar sein – aber Zahlen sind unfehlbar. Ich nehme an, es ist ihre schreckliche, armselige Genauigkeit, die zerstörend wirkt – die spottet, nagt, mit winzigen Zähnen knabbert, bis an einem Mann vom Manne nichts mehr übrig ist, nur noch ein Brei aus fein zerhackten Ängsten, gewürzt mit Ekel. Die tödliche Wunde eines Zahlenmenschen ist ein Bauchschmerz ohne Ehre.«
    »Dann verbrennt doch Eure Bücher, Mann! Zerreißt Eure Listen und laßt sie vom höchsten Turm vom Wind forttragen. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, daß ein Mann zugrunde gerichtet wird.«
    »Aber dann gäbe es keine Feste und keine Lanzen, keinen Proviant, die das Kämpfen erst möglich machen.«
    »Warum werdet Ihr dann verspottet?«
    »Weil ich ängstlich bin. Wir nennen es Vorsicht, Gescheitheit, Weisheit, Nüchternheit, guten, besonnenen Geschäftssinn, aber es ist nichts anderes als Angst, in ein unüberwindliches System gebracht. Es fing mit kleinen Dingen an, und heute habe ich vor allem Angst. Für einen ordentlichen Geschäftsmann ist jedes Risiko eine Versündigung an der heiligen Logik der Zahlen. Es gibt keine Hoffnung für mich – überhaupt keine mehr. Ich bin Sir Kay, der Seneschall, und mein alter Ruhm ist verschlungen.«
    »Mein armer Freund. Ich kann es nicht verstehen«, sagte Lancelot.
    »Ich habe es ja gewußt. Wie denn auch? Der Totenuhr-Käfer nagt ja nicht an Euren Eingeweiden. Jetzt laßt mich schlafen. Das ist meine Null, mein Nichts.«
    Sir Lancelot saß am Fenster, blickte lächelnd zu seinem Freund hin, und als dessen Schnarchen das Tor unten zum Klappern

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