König Artus
bekommen.
Meine Begeisterung für diese Arbeit wächst. Ich vergleiche immer wieder Caxton mit dem Winchester-Manuskript und sehe dabei, daß Caxton sich sehr stark davon unterscheidet. Er hat nicht nur redigiert, sondern auch in vielen Fällen den Text anders angeordnet. Obwohl er seine Ausgabe nur wenige Jahre nach Malorys Tod herausbrachte, unterscheidet sich seine Sprache stark von der des Winchester-Manuskripts. Ich neige zu der Annahme, daß es dafür zwei Gründe gibt. Zum einen war Caxton als Drucker und Redakteur ein Stadtmensch, Malory hingegen ganz und gar ein Mann des Landes – und auch geraume Zeit hinter Gittern. Außerdem ist das Winchester-Manuskript die Arbeit kopierender Mönche und steht vermutlich Malory viel näher. Ich stelle fest, daß ich das Winchester-Manuskript mehr heranziehe als Caxton. Wenn überhaupt jemand redigiert, dann besorge ich das schon lieber selbst. Dazu kommt noch, daß das Winchester hübsche Nuancen enthält, die Caxton gestrichen hat.
Wir werden uns schon recht bald – genauer gesagt, sobald ich den Merlin-Teil fertig habe – zusammensetzen und über die Arbeitsweise sprechen, nach der ich vorgehe, und zu einer Entscheidung gelangen.
AN ERO – NEW YORK, 2. JANUAR 1957
Ihr Brief traf heute nachmittag ein, und herzlichen Dank für Ihre Ermahnung, das Tempo zu drosseln. Ich weiß nicht, woher ich dieses Wettrennen mit der Zeit habe – es kommt vermutlich auch von der fixen Idee, ich könnte verhungern oder pleite gehen. Ich weiß schon seit einiger Zeit, daß sich diese Arbeit nicht übers Knie brechen läßt. Sie verlangt viel Lesen, aber auch eine Menge Nachdenken, und ich bin kein Schnelldenker.
Arthur ist keine dramatische Figur. Sie haben recht. Und hier ist vielleicht der Hinweis angebracht, daß das auch für Jesus oder Buddha gilt. Vielleicht können die großen symbolischen Gestalten keine dramatischen Personen sein, denn wenn sie es wären, würden wir uns nicht mit ihnen identifizieren. Darüber nachzudenken, lohnt sich ohne Zweifel. Was Arthurs Fähigkeiten als Kämpfer oder als Herrscher betrifft, ist es durchaus denkbar, daß Malory diese Dinge nicht notwendig fand. Das Blut, das war ihm wichtig, und als nächstes die Salbung. Angesichts von Blut und Salbung war Tüchtigkeit nicht notwendig, während Tüchtigkeit ohne beides wenig oder gar keine Chance hatte, etwas zu bewirken. Sie werden auch feststellen, daß hier kein sittliches Gesetz waltet. Als Mann war König Arthur ein Mörder, als König jedoch konnte er es nicht sein. Dies ist ein Denken, das wir nur schwer nachvollziehen können, gleichwohl aber war es real.
Ich habe vor, nächste Woche in die Stadt zu kommen. Ich möchte in die Morgan Library gehen und mit den Leuten dort sprechen. Und außerdem ist es an der Zeit, einmal Luft zu schnappen.
AN ERO – NEW YORK, 3. JANUAR 1957
Nur Lesen und Lesen und nichts als Lesen, und es kommt mir vor, als hörte ich Musik, an die ich mich erinnere.
Bemerkenswerte Dinge in den Büchern. Kleine bedeutungsvolle Splitter, die einen Augenblick herausgucken, und ein paar Philologen, die Beobachtungen machen und sich dann beinahe angstvoll zurückziehen oder das Gesagte einschränken. Wenn ich mit dieser Arbeit fertig bin – falls ich das jemals schaffen sollte –, würde ich gerne ein paar Bemerkungen über die Arthur-Legende niederschreiben. Irgendwo fehlt in dem Puzzle ein Stück, und gerade dieses Stück hält die ganze Sache zusammen. So viele Gelehrte haben enorm viel Zeit dem Versuch gewidmet herauszufinden, ob es Arthur überhaupt gegeben hat, und dabei die schlichte Wahrheit aus den Augen verloren, daß er immer wieder aufs neue existiert. Collingwood stellt fest, es habe einen Ursus oder Bären gegeben, auf keltisch Artur, den Nennius, wie Collingwood zitiert, mit Ursus horribilis übersetzt habe. Doch der Ursus horribilis ist der Grizzlybär, und der wurde meines Wissens noch nie außerhalb von Nordamerika angetroffen. Sie sehen also, in was man hineingerät. Ich kann mir gut vorstellen, daß jemand, wenn er nur wollte, darin versinken und viele glückliche Jahre damit zubringen könnte, sich mit anderen Spezialisten über das Wort Bär und seine keltische Form Artur herumzuschlagen.
Zwölf war die übliche Zahl für die Gefolgschaft eines Mannes oder die Anhänger eines Prinzips. Der Symbolik war nicht auszuweichen. Und ob der Gral der Kelch von Golgatha oder der gälische Kessel war, den später Shakespeare verwendete, ist ohne den
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