König Artus
geringsten Belang, denn das Prinzip, auf dem beides gründete, war das ewigwährende oder vielmehr das immer wieder erneuerte Leben. Alle solchen Dinge finden unvermeidlich ihren richtigen Platz, aber was mich interessiert, ist das Verbindende – die sich durchziehende Linie mit dem fehlenden Stück in der Mitte.
Schön zu beobachten ist auch, wie Malory beim Schreiben das Schreiben lernt. Die wuchernden Sätze, die unklar gezeichneten Figuren, die wirren Begebenheiten in den frühen Abschnitten, das alles gibt sich, während er weiterschreibt, so daß seine Sätze freier strömen, sein Dialog einen überzeugenden Biß bekommt und seine handelnden Personen mehr menschlich und weniger symbolisch werden, obwohl er sich sehr müht, das Symbolische zu erhalten. Und dies hat, davon bin ich überzeugt, seinen Grund darin, daß er beim Schreiben das Schreiben lernte. Er brachte es darin zur Meisterschaft, und man kann zusehen, wie sich das abspielt. Und bei allem, was ich daran mache, werde ich nicht versuchen, daran etwas zu verändern. Ich werde mich an seine wachsende Perfektion halten, und wer weiß, vielleicht lerne ich dabei selbst. Es ist eine wunderbare Arbeit, wenn ich nur die Unrast loswerden könnte, die mich antreibt, ein Gefühl, daß schon seit langem immer stärker wird. Das ist der eigentliche Fluch, und warum und für wen? Vielleicht habe ich zu viele Bücher geschrieben und hätte besser nur ein einziges schreiben sollen. Aber Malory hatte mir einen großen Vorteil voraus: er war ja so oft im Gefängnis, und dort hat ihn nichts zur Eile angetrieben, außer dann, wenn ihn hin und wieder der Wunsch packte auszubrechen.
AN CHASE – SAG HARBOR, 9. JANUAR 1957
Ich lese immerzu und in einem fort, und ich bin so langsam. Ich bewege buchstäblich die Lippen dabei. Elaine schafft es, vier Bücher zu lesen, während ich mich durch ein einziges murmle. Aber daran wird sich wohl nichts mehr ändern. Jedenfalls, ich habe viel Freude daran, und es gibt keine Unterbrechungen.
Fahre nächsten Montag nach New York hinein. Nächste Woche werde ich mich mit Adams von der P.M. Library zum Lunch treffen. Ich habe den Donnerstag vorgeschlagen, falls er da frei ist, und sonst den Mittwoch oder Freitag. Er will Dr. Buhler mitbringen, dessen Namen Sie von seinen Arbeiten über das Mittelalter und die Renaissance kennen werden. Adams sagt von Buhler: »Er hat etwas von der prallen Lebenslust seines Themas.« Jedenfalls, sie sind in jeder Hinsicht sehr hilfsbereit. Hoffentlich sind Sie auch zum Lunch frei. Ich habe die Colony Bar vorgeschlagen, nächsten Donnerstag 12.30 Uhr, den 17., glaube ich. Sollten Sie an diesem Tag keine Zeit haben, gebe ich Ihnen telephonisch Bescheid, aber ich würde es sehr schön finden, wenn Sie dabeisein könnten.
Mir kommen viele Ahnungen, aber ich werde sie in diesem Zustand belassen. Nichts ist so gefährlich wie das Theoretisieren halbseriöser oder halbinformierter Philologen. Ich bin mir ziemlich sicher, daß auch für Malory sehr vieles nur Ahnungen waren. Kann gar nicht ausdrücken, wie dankbar ich Ihnen dafür bin, daß Sie die Bücher geschickt haben, aber es wird mich viel Zeit kosten, den Rückstand aufzuholen. Ich rufe Sie an, sobald ich in der Stadt bin.
AN CHASE – NEW YORK, 18. FEBRUAR 1957
Die Vorstellung, daß Sie mir Dank schulden, ist lächerlich. Es wäre schwer, Sie für die Unmenge an Arbeit und Gedanken zu entschädigen, die Sie in diese Sache investieren. Und in der Zukunft dräut noch mehr Arbeit. Gottlob ist es eine Arbeit, die wir beide gern tun …
Soweit es mir gelingt – es gelingt nicht sehr weit –, versuche ich im Augenblick, alles andere von mir fernzuhalten, bis ich das Grundgerüst gezimmert habe und sehe, was ich brauchen kann.
AN CHASE – NEW YORK, 14. MÄRZ 1957
Unser Malory hat es mit den Wörtern ziemlich genau genommen. Er spricht nie von »Frensshe [französischen] Büchern« – sondern nur von einem »Frensshe book «. Anders ausgedrückt, er brauchte keine Bibliothek, und es spricht auch kaum etwas dafür, daß er eine benutzt hätte. Nicht ein einziges Mal ist bei ihm von der englischen Stabreimdichtung oder von Geoffrey of Monmouth die Rede. Er war kein Mann aus der Gelehrtenwelt. Er war ein Romanschreiber. Genauso wie Shakespeare ein Dramatiker war. Wir wissen, woher Shakespeare seine Vorlagen aus der englischen Geschichte bezogen haben muß, da die Parallelen zu augenfällig sind, aber woher hatte er sein Verona, sein Venedig, sein
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