König Artus
Padua, sein Rom, sein Athen? Aus irgendeinem Grund ist es Mode anzunehmen, daß diese großen Männer, Malory und Shakespeare, nicht lasen und nicht zuhörten. Sie sollen alles per Osmose aufgenommen haben. Ich habe die Sammlung Mabinogion vor dreißig Jahren gelesen, und trotzdem bringe ich in Sweet Thursday die Geschichte von dem armen Ritter, der sich eine Frau aus Blumen machte. Und irgendwo anders habe ich noch einmal die Geschichte von dem Mann erzählt, der eine Maus wegen Diebstahls aufknüpfte. Und mein Gedächtnis kann sich mit dem Erinnerungsvermögen Malorys oder Shakespeares nicht messen.
Ich möchte mich auch ein bißchen über den Ansatz einer Hypothese auslassen, daß der Morte d’Arthur gewissermaßen eine politische Protestschrift gewesen sein könnte.
Wenn Shakespeare den Thron schmähen wollte, griff er – er war ja nicht auf den Kopf gefallen – nicht den Thron der Tudor an, sondern die älteren Dynastien, auf die Elisabeth vielleicht ein bißchen neidisch war, weil sie von einem walisischen Emporkömmling abstammte. Ein Frontalangriff auf die Krone war eine Selbstmordgarantie, was man in Malorys so gut wie in Shakespeares Zeit wußte. Aber wie dachte man wohl, wenn man für Neville, den Herzog von Warwick, war – und Eduard IV. saß auf dem Thron? Ein solcher König konnte gar nicht recht handeln.
Ich möchte Ihnen eine Geschichte erzählen. Als The Grapes of Wrath [Die Früchte des Zorns] explodierten, waren allerhand Leute ziemlich wütend auf mich. Der Undersheriff des Bezirks Santa Clara war ein guter Freund von mir und sagte folgendes: »Gehn Sie auf keinen Fall allein in irgendein Hotelzimmer. Sorgen Sie dafür, daß Sie für jede Minute ein Alibi haben. Und wenn Sie die Ranch verlassen, lassen Sie sich von ein oder zwei Freunden begleiten, vor allem aber: halten Sie sich nie allein in einem Hotel auf.«
»Warum das?« fragte ich ihn. Er antwortete: »Vielleicht exponiere ich mich, aber die Typen wollen Sie in eine Falle, eine inszenierte Vergewaltigung, locken. Sie gehen allein in ein Hotel, und eine Frau kommt herein, reißt sich die Kleider vom Leib, zerkratzt sich das Gesicht und fängt an zu kreischen, und dann versuchen Sie mal, aus dem Schlamassel rauszukommen. Ihrem Buch werden sie nichts tun, weil es einfachere Methoden gibt.«
Es ist ein schreckliches Gefühl, Chase, vor allem, weil die Sache funktioniert. Niemand hätte mehr geglaubt, was in meinem Buch steht. Ich bin nirgends mehr allein hingegangen, bis sich der Lärm gelegt hat. Und das waren keine Hirngespinste.
Der ritterliche Gefangene [Malory] war unglücklich dran, doch nicht von Schuld geplagt. Und das macht einem alle diese Geschichten von Rittern verdächtig, die durch Zauberei in Gefangenschaft gerieten. Bis vor kurzem konnten wir einen Mann einfach dadurch zugrunde richten, daß wir ihn einen Kommunisten nannten, und selbst wenn die Beschuldigung von einem notorischen Lügner kam, konnte er gleichwohl ruiniert werden. Wie leicht muß das erst im 15. Jahrhundert gewesen sein.
Wir wissen, warum Cervantes im Gefängnis war. Kennen wir bei Malory wirklich den Grund?
Ich muß Ihnen sagen, Chase, ich habe noch nie mit jemandem zusammengearbeitet, mit dem es mir mehr Freude machte. Sie fangen auf die gleiche Art Feuer wie ich. Wenn wir unsere Arbeit gut machen, wird das bei der Philologenzunft einen kleinen Wirbel auslösen. Aber es macht wirklich Spaß, nicht? Und die Parallelen zu unserer eigenen Zeit drängen sich einem nur so auf.
AN CHASE – FLORENZ, 9. APRIL 1957
Ich werde gefragt, wann ich mit der Morte -Geschichte fertig sein werde, und ich antworte vorsichtig und sage, in zehn Jahren. Der Umfang der Arbeit gibt mir jedoch das Gefühl, daß dies eine unvorsichtige Schätzung sein könnte.
Ich glaube, ich habe Elizabeth geschrieben, daß Dr. Vinaver von der ihm zugeschickten Rohübersetzung des ersten Teils höchst angetan war und daß er jede ihm mögliche Unterstützung angeboten hat. Und dabei war das wirklich eine sehr rohe Übersetzung. Ich bin zu Besserem imstande.
AN ERO – FLORENZ, 19. APRIL 1957
Ich werde mich später zu einer Besprechung mit Professor Sapori treffen. Er ist die Autorität auf dem Gebiet der Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und ein faszinierender Mann. Ich werde auch Berenson sehen, sobald es ihm möglich ist. Er weiß, wo alles ist, und kennt sich in den kleinsten Dingen aus.
Sie sehen also, daß ich hier nicht untätig gewesen bin. Ich stehe staunend vor der
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