König Artus
Schroffheiten vertragen. Malory beseitigte einiges vom repetitiven Charakter der »Frensshe« Bücher. Ich finde es notwendig, die meisten Wiederholungen bei Malory zu tilgen.
Ich habe die Absicht, Ihnen regelmäßig in dieser Art zu schreiben. Es ist besser als Tagebucheintragungen, weil es an einen Adressaten gerichtet ist. Heben Sie die Briefe bitte auf. Ich werde meine Einleitung darauf aufbauen.
AN ERO UND CHASE – NEW YORK, 11. JULI 1958
In dem neuen Häuschen kann ich meine Wörterbücher unterbringen und muß nicht jedesmal ins Haus laufen, wenn ich ein Wort nachschlagen will. Aber es macht eigentlich nichts. Ich bin einfach schlecht aufgelegt. Ich werde mich an die Arbeit machen und meine schlechte Stimmung etwas austrocknen lassen.
Dabei habe ich recht gut gearbeitet und zudem an einem höchst schwierigen Teil. Wenn Malory alles in einen einzigen Korb zu werfen versucht – Handlung und Genealogie, Gegenwart und Zukunft, Persönlichkeit und Sitten –, muß ich es, soweit ich es kann, gewissermaßen auseinanderklauben. Ich bewege mich sehr langsam voran und bemühe mich, nicht zu viele Fehler zu machen, die später ausgebügelt werden müssen. Dieses Vorwärts und Rückwärts in der Zeit muß vielleicht noch überarbeitet werden. Damals, als die Leute wußten, daß die erste Elaine, Igraines Schwester, Gawains Mutter war, war es ja ganz in Ordnung, dieses Faktum einzuführen, ehe Gawain noch geboren war. Einen modernen Leser könnte es jedoch verwirren, da für ihn Genealogie nicht so schrecklich interessant ist, sofern es sich nicht um seine eigene handelt.
Elaine ist soeben mit Briefen von Ihnen beiden hereingekommen, und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr es mich freut, daß Sie mein Vorgehen gutheißen. Für mich war es, als hielte ich mir die Nase zu und spränge mit den Füßen voran in kaltes Wasser. Und es steht im Gegensatz zu allen hergebrachten Methoden der Arthur-Experten, aber, bei Gott, ich wette, Vinaver wird es gut finden.
Nun zu Charakter und Persönlichkeit. Ich bin überzeugt, daß beides da ist und seinerzeit verstanden wurde. Meine Aufgabe ist es, die »Stenographie« zu verstehen und beides herauszuarbeiten. Nehmen Sie ein verlorengegangenes Stückchen wie das folgende: Igraine hat ein Mann beigewohnt, den sie für ihren Gatten hielt, und später entdeckt sie, daß ihr Ehemann damals schon tot war. Nun schreibt Malory, als er sie zum erstenmal erwähnt, sie sei eine schöne und über die Maßen kluge Dame. Als sie erfährt, daß ihr Gemahl tot ist und daß sie auf eine Art, die sie nicht verstehen kann, getäuscht wurde, schreibt Malory: »Thenne she marvelled who that knight was that lay with her in the likeness of her lord. So she mourned pryvely and held her pees. «
Mein Gott! Hier hat man alles, was man an Charakter braucht, wenn man es nur mit einer Wiederholung zuspitzt. Ich habe folgendermaßen übersetzt: »When news came to Igraine that the duke her husband was slain the night before, she was troubled and she wondered who it was that lay with her in the image of her husband. But she was a wise woman and she mourned privately and did not speak of it.«
Sie sehen, es ist alles da. Ein ganzer Charakter – eine Frau, allein in einer feindseligen und rätselhaften Welt. Sie tat das einzig Sichere. »She held her pees.« Das Buch strotzt von solchen Dingen. Sie müssen nur in unser heutiges Blickfeld gebracht werden. Malorys Zuhörer kannten die Situation genau, in der Igraine war, ein moderner Leser hingegen hat keine Vorstellung vom Leben einer Frau im 15. Jahrhundert. Sie mußte sehr klug sein, um überhaupt am Leben zu bleiben.
Und lustige Dinge gibt es auch – manchmal nehmen sie die Form kleiner ironischer Bemerkungen, dann wieder satirische Gestalt an. Merlin spielt mit kindlicher Freude Possen, wenn er zaubert. Es bedarf nur eines Wortes, um zu zeigen, wieviel Spaß er daran hatte. Er ist wie ein Kind, das sich freut, wenn es Menschen in Erstaunen versetzen kann. Dann natürlich Merlins Ende – eine grausame, entsetzliche Situation und zum Totlachen komisch. Ein alter Mann, vernarrt in eine junge Frau, die ihm das Geheimnis seines Zaubers entlockt und die Magie dann gegen ihn richtet. Es ist die Geschichte meines Lebens und des Lebens vieler anderer Leute und kommt immer wieder vor, ein herzloser Witz – der mächtige, an Wissen reiche Mann, der von einem dummen, schlauen Mädchen seine wohlverdiente Strafe erhält. Oh, von solchen Dingen findet sich
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