König Artus
befindet. Dann gibt es natürlich die ältere Handschrift im Winchester College in England, die in gewissen Punkten von Caxton abweicht und – abgesehen davon, daß am Ende bedauerlicherweise acht Bogen fehlen – vielleicht die einzige unanfechtbare Quelle ist. Wie die Dinge liegen, muß jede Arbeit an Malory sich auf eine Kombination dieser zwei Quellen stützen. Ich habe die beiden Originale nicht nur gesehen und geprüft, sondern besitze auch Mikrofilme von ihnen. Diese beiden Quellen müssen mir also als Grundlage für meine Übersetzung dienen. Den Caxton-Mikrofilm hat mir die Morgan Library freundlicherweise zur Verfügung gestellt, und den von den Winchester-Handschriften habe ich von der Kongreßbibliothek. Das also ist mein Ausgangsmaterial für die Übersetzung.
Ich habe vor, in ein modernes Englisch zu übersetzen und dabei Rhythmus und Tonfall zu bewahren – oder vielmehr den Versuch einer Neuerschaffung in einer Form zu machen, die auf das Ohr des Lesers von heute die gleiche Wirkung haben wird, wie sie das Mittelenglische im 15. Jahrhundert hatte. Ich werde an jedem Arbeitstag, bei fünf Tagen in der Woche, eine vorgegebene Zahl Seiten von der Übersetzung schreiben: sechs bis acht Seiten Übersetzung pro Tag. Außerdem werde ich jeden Tag die Interpretationen, Beobachtungen und Hintergrundfakten aus unserer umfangreichen Lektüre in Form eines Arbeitsjournals festhalten. Dadurch, daß ich beides nebeneinander tue, hoffe ich die interpretierenden Bemerkungen einzubringen, während die Erzählungen übertragen werden. Nach Abschluß der Übersetzung müßte ich dann eine große Menge interpretierenden Materials beisammen haben, das in den Geist der Erzählungen und in ihre Sinnaussage eingegangen ist. Die Einleitung, die einen sehr wichtigen Teil der Arbeit bilden sollte, werde ich für zuletzt aufheben, denn sie muß ein Gesamtbild der Arbeit in ihren beiden Teilen, Übersetzung wie Interpretation, bringen.
Ich denke, das ist zunächst einmal alles. Nach den jahrelangen Vorbereitungen brenne ich darauf, mich an die Arbeit zu machen. Gleichzeitig fürchte ich mich auch davor, finde aber, das ist nur gesund. Ich habe sehr viel Geld und noch mehr Zeit in dieses Projekt investiert. Wenn man den Umfang der Arbeit und den Umstand bedenkt, daß ich sie ganz allein bewältigen muß, ist es nur zu verständlich, daß mich eine lähmende Demut überkommt. Von jetzt an kann mir niemand mehr helfen. Jetzt geht es ums Schreiben, die einsamste Arbeit auf der Welt. Wenn ich daran scheitere, trägt nur ein einziger Mensch auf der Welt die Verantwortung dafür, aber ich könnte ein kleines Gebet von Ihnen und allen anderen Leuten gebrauchen, die der Meinung sind, diese Arbeit sollte die beste und auch die befriedigendste meines Lebens werden. Ein Gebet, das ist jetzt so ungefähr der einzige Beistand, auf den ich hoffen kann. Ihres. Und jetzt trete ich ein in die Dunkelheit meiner eigenen Gedankenwelt.
AN ERO – NEW YORK, 9. JULI 1958
Gestern begann ich mit dem allerersten Stück der Übersetzung, und heute habe ich daran weitergearbeitet. Vielleicht wird mir am Ende der Woche nicht zusagen, was ich fabriziert habe, doch vorläufig gefällt es mir. Es ist absolut faszinierend – der Prozeß, meine ich. Und ich habe sehr viele Ideen weggelassen, auf die ich seinerzeit gekommen war.
Sie erinnern sich, als ich zum erstenmal davon sprach, wollte ich Malorys Rhythmen und Sprachklänge beibehalten. Aber seither habe ich viel gelernt und viel nachgedacht. Und vielleicht gehen meine Gedanken in die gleiche Richtung wie die Malorys. Als er anfing, versuchte er, die »Frensshe« Bücher nicht anzutasten – im großen und ganzen Chrétien de Troyes. Aber beim Schreiben veränderte er dann doch. Er begann für das Ohr des 15. Jahrhunderts und für das englische Denken und Fühlen zu schreiben. Erst das hat seiner Arbeit ihre Größe gegeben. Seine Prosa war für die Menschen seiner Zeit akzeptabel, weil verständlich. Die Erzählungen und die Beziehungen zwischen ihnen sind unsterblich. Aber Ton und Erzählmethode verändern sich. Das Ohr des 20. Jahrhunderts kann die Ausdrucksform des 15. Jahrhunderts nicht aufnehmen, weder den Ton, noch den Satzbau, noch den Stil. Die natürliche Ausdrucksweise von heute ist kürzer und konziser. Und genau darauf mußte seltsamerweise auch Malory mit seinem Quellenmaterial achten. Als er Sicherheit gewann, begann er den Text für seine eigene Zeit zu kürzen und zu verknappen. Und er
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