König Artus
erklärte auch einige Dinge, deren Sinn dunkel war. Und eben das versuche nun auch ich zu tun. Ich möchte den Stoff nicht im Gewand der damaligen Zeit gestalten, sondern ihn unter Beibehaltung des Inhalts und der Details in eine unserer Zeit gemäße Form gießen.
Etwas Verblüffendes geschieht, sobald man von den Beschränkungen der Sprache des 15. Jahrhunderts abgeht. Die Erzählungen schließen sich sofort auf, sie kommen aus ihrer Gruft heraus. Die Kleingeister unter den Philologen werden diese Methode sicher nicht gutheißen, aber Vinaver und Buhler wird sie, glaube ich, sehr gefallen, denn es ist Malory – nicht wie er schrieb, sondern wie er heute schreiben würde. Ich kann Ihnen viele Beispiele nennen, was den Wortgebrauch betrifft. Nehmen wir das Wort worship , wie Malory es verwendet. Es ist ein altes englisches Wort, worth-ship , und bedeutet hohes Ansehen, das man durch persönliche Eigenschaften, Mut oder Ehrenhaftigkeit, erwarb. Es war nicht möglich, worshipfulness zu erben. Nur der eigene Charakter oder eigenes Tun trug einem die Bezeichnung ein. Mit dem 13. Jahrhundert nahm das Wort allmählich eine religiöse Konnotation an, die es ursprünglich nicht gehabt hatte. Und heute hat es seine Originalbedeutung verloren und ist zu einem Wort von rein religiösem Gehalt geworden. Vielleicht ist honor oder noch besser renown an seine Stelle getreten. Früher einmal hatte renown die Bedeutung, daß jemand wegen seiner persönlichen Qualitäten einen neuen Namen erhielt, und heute bedeutet es, daß man gefeiert wird, wenn auch noch immer wegen persönlicher Verdienste. Es ist nicht möglich, renown zu erben. Ich möchte Ihnen damit nur eine Vorstellung von meinem Experiment vermitteln. Und bislang scheint es zu gelingen. Inzwischen bin ich mit der Arbeit so vertraut, daß sie mir keine Angst mehr macht. Der Text muß auch ein bißchen erläutert werden. Zum Beispiel wenn Malory schreibt: »Uther sent for this duke charging him to bring his wife with him for she was called a fair lady and passing wise and her name was called Igraine.« Nun, jeder, der im 15. Jahrhundert dieser Geschichte zuhörte, wußte sofort, daß Uther auf Igraine schon scharf war, ehe er sie noch zu sehen bekam – und wenn der Hörer es nicht wußte, konnte der Erzähler es seinem Publikum durch eine hochgezogene Augenbraue oder ein Zwinkern oder einen beziehungsvollen Tonfall begreiflich machen. Unsere Leser hingegen, die nur die gedruckte Seite vor sich haben, müssen durch das Wort aufgeklärt werden. Und davor habe ich nun keine Scheu mehr. Viele der scheinbaren Lücken wurden zweifellos vom Erzähler durch Mimik und Gestik ausgefüllt, ich aber muß sie mit Wörtern schließen. Während ich früher Bedenken gehabt hätte, irgend etwas hinzuzufügen, zögere ich heute nicht mehr. Sie, Chase und Vinaver haben mir diese Furcht genommen.
Jedenfalls, ich habe mich in Bewegung gesetzt und fühle mich recht wohl und unbeschwert. Ich arbeite in der Garage, bis mein neues Arbeitszimmer fertig ist, und es geht gut so. Dem Himmel sei Dank für das große Oxford Dictionary. Ein Glossar ist etwas sehr Unbefriedigendes, das große Oxford-Lexikon aber ist das großartigste Buch auf der Welt. Ich stelle fest, daß ich ständig hinrenne. Und wo Malory, wie es oft geschieht, zwei Adjektive von derselben Bedeutung verwendet, nehme ich nur ein einziges. Denn einerseits muß ich den Text erweitern, und andererseits muß ich ihn für unser heutiges Auge und Ohr zusammenziehen. Es mag reizvoll sein zu lesen: »… to bring his wyf with him for she was called a fayre lady and passing wyse and her name was called Igraine.« Doch in unserer Zeit sagt es dem Leser mehr, wenn da steht: »… to bring his wife, Igraine with him for she was reputed to be not only beautiful but clever.«
Ich hoffe sehr, das liest sich für Sie nicht wie ein Vandalenakt. Ich glaube, der Inhalt ist nun ebenso gut und wahr und von ebensolchem Gegenwartsbezug, wie er es damals war, aber ich bin auch überzeugt, daß das Buch nur mit dieser Methode aus seiner mittelalterlichen Gruft befreit werden kann. Wenn es oder vielmehr sie (die Erzählungen) im 15. Jahrhundert erfunden worden wären, sähe die Sache anders aus – aber so war es ja nicht. Wenn Malory für seine Zeit Chrétien umschreiben konnte, dann kann ich Malory für meine Zeit umschreiben. Tennyson schrieb ihn für seine gefühlsselige viktorianische Leserschaft um und glättete. Unsere Leser aber können die
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