König Artus
sich in die Waldesdichte entfernte, kam aus seinem Bauch abermals das Bellen vieler Jagdhunde, die Witterung aufgenommen haben. Den König überkam Staunen an diesem traumverdüsterten Tag, und seine Gedanken waren schwer und schwarz, und er schlief ein.
Dann schien es Artus, daß sich ihm ein Ritter zu Fuß näherte und sagte: »Ritter, umfangen von Gedanken und Schlaf, sagt mir, ob Ihr hier ein seltsames Tier vorüberkommen saht.«
»Sehr wohl«, sagte der König, »aber es ist weitergegangen, in den Wald hinein. Doch sagt, was kümmert Euch dieses Tier?«
»Sir«, antwortete der Ritter, »dem Tier gilt meine Ausfahrt, und ich verfolge es schon seit langer Zeit und habe mein Pferd zuschanden geritten. Wollte Gott, ich hätte ein anderes, damit ich meine Suche fortsetzen kann.«
Dann erschien ein Diener Artus’, der ein Pferd für ihn brachte, und der Ritter bat ihn inständig darum. »Ich bin nun zwölf Monate unterwegs und muß meine Ausfahrt fortsetzen.«
»Herr Ritter«, sagte der König, »tretet Eure Ausfahrt mir ab, und ich will das Tier weitere zwölf Monate verfolgen, denn ich brauche eine solche Ablenkung, damit mir leichter ums Herz wird.«
»Eure Bitte ist närrisch«, sagte der Ritter. »Es ist meine Fahrt, und sie kann nicht abgetreten werden. Nur meine nächsten Verwandten könnten sie mir abnehmen.« Dann trat der Ritter rasch zum Pferd des Königs, schwang sich in den Sattel und sagte: »Vielen Dank, Sir. Das Pferd gehört jetzt mir.«
Der König rief: »Ihr könnt mir mein Pferd wohl mit Gewalt wegnehmen, aber laßt uns doch mit den Waffen entscheiden, ob Ihr es mehr verdient als ich.«
Im Davonreiten rief der Ritter über die Schulter zurück: »Nicht jetzt, doch zu jeder anderen Zeit könnt Ihr mich hier an dieser Quelle antreffen, mit Freuden bereit, Euch Genugtuung zu leisten.« Und damit verschwand er in den Wald. Der König befahl seinem Diener, ein anderes Pferd zu holen und sank dann wiederum in sein düsteres, träumerisches Grübeln.
Es war ein Tag unter einem Zauberbann, einer jener Tage mit verzerrter Realität, wie ein Spiegelbild in bewegtem Wasser. Und so dauerte der Tag fort – denn nun näherte sich ein Knabe von vierzehn Jahren und fragte den König, warum er so in Gedanken verloren sei.
»Ich habe allen Grund dafür«, gab der König zur Antwort, »denn ich habe merkwürdige und wundersame Dinge gesehen und empfunden.«
Der Knabe sagte: »Ich weiß, was Ihr gesehen habt. Ich kenne alle Eure Gedanken. Und ich weiß auch, daß nur ein Narr sich über Dinge sorgt, an denen er nichts ändern kann. Ich weiß noch mehr als das. Ich weiß, wer Ihr seid, und daß König Uther Euer Vater und Igraine Eure Mutter war.«
»Das ist nicht wahr«, sagte Artus zornig. »Wie solltest du solche Dinge wissen? Du bist nicht alt genug dafür.«
Der Knabe sagte: »Ich weiß über diese Dinge besser Bescheid als Ihr – besser als sonst jemand.«
»Ich glaube dir nicht«, sagte der König, und er war so aufgebracht über den vorlauten Knaben, daß dieser wegging. Wieder überkam Artus die umdüsterte Stimmung.
Nun näherte sich ein Greis, nicht weniger als achtzig Jahre alt und mit einem Gesicht, aus dem Weisheit sprach. Artus war froh darüber, denn er brauchte Stärkung gegen seine schwarzen Gedanken.
Der alte Mann fragte: »Warum seid Ihr so traurig?«
Und der König antwortete: »Ich bin traurig und verwirrt von vielen Geschehnissen, und gerade eben kam ein Knabe zu mir und sagte mir Dinge, die er nicht wissen konnte und auch nicht wissen sollte.«
»Das Kind hat Euch die Wahrheit gesagt«, sagte der alte Mann. »Ihr müßt lernen, Kinder anzuhören. Es hätte Euch noch viel mehr erzählt, wenn Ihr es erlaubt hättet. Aber Euer Sinn ist düster und verschlossen, weil Ihr eine Sünde begangen habt und Gott über Euch ungehalten ist. Ihr habt Eurer Schwester beigewohnt und sie geschwängert. Und dieses Kind wird, wenn es herangewachsen ist, Euren Rittern und Eurem Reich und Euch selbst den Untergang bringen.«
»Was sagt Ihr da?« rief Artus. »Wer seid Ihr?«
»Ich bin Merlin als alter Mann. Aber ich war auch Merlin als Kind, um Euch zu lehren, jedem Menschen Gehör zu schenken.«
»Du bist ein Mann der Wunderdinge«, sagte der König. »Immer ist Geheimnis um dich. Sag mir, als Prophezeiung – ist es wahr, daß ich im Kampf sterben muß?«
»Es ist Gottes Wille, daß Ihr für Eure Sünden bestraft werdet«, erwiderte Merlin. »Aber Ihr solltet Euch freuen, daß Ihr einen
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