König Artus
anständigen und ehrenvollen Tod sterben werdet. Ich bin derjenige, der Anlaß zur Trauer hat, denn mir ist ein schändlicher und häßlicher und lächerlicher Tod bestimmt.«
Eine massige Wolke verdunkelte den Himmel, und die Wipfel der Waldbäume rauschten unter einem raschen Windstoß.
Der König fragte: »Aber wenn dir die Art deines Todes bekannt ist, könntest du dich ihm nicht vielleicht entziehen?«
»Nein«, sagte Merlin. »Es ist mir so gewiß, als wäre er bereits eingetreten.«
Artus blickte nach oben und sagte: »Es ist ein schwarzer Tag, ein Kummertag.«
»Es ist ein Tag wie jeder andere, Herr. Nur Euer Sinn ist schwarz und beschwert.«
Und indes sie so sprachen, brachten Leute aus Artus’ Gefolge frische Pferde herbei, und der König und Merlin stiegen in den Sattel und brachen nach Caerleon auf, und der dunkle Himmel öffnete sich, und stahlgrauer Regen fiel herab. Sobald der König, von Sorge beschwert, eine Gelegenheit dazu fand, rief er Sir Ector und Sir Ulfius zu sich und fragte sie nach den Umständen seiner Geburt und nach seinen Vorfahren aus. Sie sagten ihm, daß König Uther Pendragon sein Vater und Igraine seine Mutter gewesen sei.
»So hat es mir auch Merlin erzählt«, sagte Artus. »Ich möchte, daß ihr Igraine holen laßt. Ich muß mit ihr sprechen. Erst wenn sie selbst sagt, daß sie meine Mutter ist, kann ich es glauben.«
Dann wurde rasch nach der Königin geschickt, und sie kam zusammen mit ihrer Tochter Morgan le Fay, einer Dame von eigenartiger Schönheit. König Artus hieß sie artig willkommen.
Und als sie in der großen Halle saßen, zusammen mit dem ganzen Hof und den Gefolgsleuten an den langen Tischen, stand Sir Ulfius auf und redete Königin Igraine mit lauter Stimme an, so daß jedermann ihn hören konnte. »Ihr seid eine Dame voller Falsch!« rief er. »Ihr handelt übel gegen den König.«
Artus sagte: »Bedenkt, was Ihr sagt. Ihr erhebt eine schwerwiegende Anklage – einen Vorwurf, den Ihr nicht zurücknehmen könnt.«
Aber Sir Ulfius sagte: »Herr, ich spreche durchaus mit Bedacht, und hier ist mein Handschuh, den ich jedem hinwerfe, der mir widerspricht. Ich behaupte, daß Königin Igraine die Ursache all Eurer Kümmernisse ist, der Grund für die Unzufriedenheit und Aufsässigkeit in Eurem Reich und die wahre Ursache des schrecklichen Krieges. Hätte sie zu König Uthers Lebzeiten zugegeben, daß sie Eure Mutter ist, wäre es nicht zu all den Wirren und blutigen Kämpfen gekommen. Eure Untertanen und Eure Barone hatten nie Gewißheit über Eure Abkunft, haben nie an Euren eindeutigen Anspruch auf die Krone geglaubt. Aber wenn Eure Mutter bereit gewesen wäre, um Euretwillen und dem Lande zuliebe ein wenig Schande auf sich zu nehmen, wären diese schweren Zeiten nicht über uns gekommen. Deshalb behaupte ich, daß sie Euch und Eurem Reich Schaden bringt, und ich biete jedem, der das Gegenteil sagt, meinen Leib zum Kampf dar.«
Da wandten sich alle Augen Igraine neben dem König an der erhöhten Tafel zu. Sie saß eine Weile stumm und mit niedergeschlagenen Augen da. Dann hob sie den Kopf und sprach leise: »Ich bin eine Witwe und kann nicht um meine Ehre kämpfen. Ist vielleicht irgendein braver Mann hier, der mich verteidigt?
Hier meine Antwort auf die Anklage: Merlin weiß wohl, und auch Ihr, Sir Ulfius, wißt, daß König Uther dank Merlins Zauberkunst zu mir in der Gestalt meines Gatten kam, der damals bereits seit drei Stunden tot war. In jener Nacht empfing ich von König Uther ein Kind, und nach dem dreizehnten Tag vermählte er sich mit mir und machte mich zu seiner Königin. Auf Uthers Befehl wurde mir mein Kind, als es geboren war, weggenommen und Merlin übergeben. Ich habe nie erfahren, was aus ihm wurde, nie seinen Namen gekannt, nie sein Gesicht gesehen, nie etwas über sein Schicksal erfahren. Ich schwöre, das ist die Wahrheit.«
Da wandte Sir Ulfius sich Merlin zu und sagte: »Wenn es wahr ist, was sie sagt, bist du mehr zu tadeln als sie.«
Und die Königin rief: »Ich habe ein Kind von meinem Gebieter, König Uther, geboren, aber nie erfahren, was aus ihm geworden ist – niemals!«
Da erhob sich König Artus, trat zu Merlin, nahm ihn an der Hand und führte ihn zu Königin Igraine. Er fragte ruhig: »Ist das meine Mutter?«
Und Merlin sagte: »Ja, Herr, das ist Eure Mutter.«
Da nahm König Artus seine Mutter in die Arme und küßte sie. Er weinte, und sie sprach ihm tröstend zu. Nach einer Weile warf der König den Kopf nach
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