König Artus
weswegen Ihr gekommen seid.«
»Ich werde tun, weshalb ich gekommen bin«, versetzte Balin, zog sein Schwert und schlug Garlon das Haupt ab. Dann sagte er zu seiner Dame: »Gebt mir den Stumpf der Lanze, mit dem Euer Liebster getötet wurde.« Er nahm ihn, durchbohrte damit Garlons Leichnam und rief: »Damit habt Ihr einen wackeren Ritter getötet. Jetzt steckt es in Euch.« Und zu seinem Freund draußen vor der Halle rief er hinaus: »Hier ist genug Blut, um Euren Sohn zu heilen.«
Die versammelten Ritter hatten verblüfft dagesessen, nun aber sprangen sie auf, um sich auf Balin zu stürzen. König Pelham erhob sich von seinem Platz an der erhöhten Tafel und sagte: »Ihr habt meinen Bruder getötet. Ihr seid des Todes.«
Aber Balin rief ihm höhnisch zu: »Wohlan – tötet mich doch selbst, wenn Ihr tapfer genug seid.«
»So soll es sein«, sagte Pelham. »Tretet zurück, ihr Ritter. Ich werde ihn um meines Bruders willen selbst erschlagen.«
Pelham nahm eine gewaltige Streitaxt von der Wand, ging damit auf Balin los und führte einen Hieb, den Balin mit seinem Schwert parierte. Aber die schwere Axt zerschlug das Schwert in zwei Stücke, so daß Balin ohne Waffe war. Darauf rannte er aus der Halle, von Pelham verfolgt. Er lief von Gemach zu Gemach, nach einer Waffe Ausschau haltend, fand aber nirgends eine, und die ganze Zeit hörte er, daß König Pelham ihm auf den Fersen war.
Schließlich geriet Balin in ein Gemach, in dem er etwas Wundersames erblickte. Der Raum war mit goldenem Tuch, verziert mit mystischen, heiligen Symbolen, ausgekleidet, und das Bett darin mit herrlichen Vorhängen drapiert. Auf dem Bett lag unter einem aus Goldfäden gewirkten Überwurf der vollkommene Körper eines ehrwürdigen Greises, und auf einem goldenen Tisch neben dem Bett stand ein seltsam gearbeiteter Speer mit einem Griff aus Holz, einem schlanken eisernen Schaft und einer kleinen Spitze.
Balin hörte die Schritte des ihn verfolgenden Pelham, packte den Speer und stieß ihn seinem Feind in die Seite. Und im selben Augenblick war das Grollen eines Erdbebens zu vernehmen, die Mauern der Burg stürzten nach außen, das Dach fiel herab, und Balin und König Pelham taumelten, vom herabstürzenden Schutt mitgerissen, zu Boden, wo sie, eingeklemmt zwischen Steinen und zerborstenen Balken, bewußtlos liegenblieben. Die meisten der in der Burg versammelten Ritter wurden vom einstürzenden Dach erschlagen.
Nach einiger Zeit erschien Merlin, räumte die Steine über Balin beiseite und brachte ihn zu Bewußtsein. Und er holte ihm ein Pferd und sagte zu ihm, er solle auf schnellstem Wege das Land verlassen.
Balin aber sagte: »Wo ist mein Fräulein?«
»Sie liegt tot unter den Trümmern der Burg«, antwortete Merlin.
»Was hat diesen Einsturz verursacht?« fragte Balin.
»Ihr seid auf ein Geheimnis gestoßen«, sagte Merlin. »Nicht lange nach der Kreuzigung Christi kam Joseph, ein Kaufmann aus Arimathia, der in seinem eigenen Grab unseren Herrn beigesetzt hatte, auf einem Schiff in unser Land und brachte den heiligen Abendmahlskelch, gefüllt mit dem heiligen Blut, und auch jenen Speer mit, mit dem der Römer Longinus Jesus am Kreuz in die Seite gestochen hatte. Und Joseph brachte diese geheiligten Gegenstände auf die Insel Glass in Avalon und erbaute dort eine Kirche, die erste in diesem ganzen Land. Die Gestalt auf dem Bett in jenem Gemach, das war Josephs Leichnam, und der Speer war der Speer des Longinus, und damit habt Ihr Pelham verwundet, Josephs Nachkommen, und das war der schmerzliche Streich, von dem ich Euch vor langer Zeit sprach. Und weil Ihr dies getan habt, werden sich Krankheit, Hunger und Verzweiflung wie ein Pesthauch über das Land legen.«
Balin rief: »Das habe ich nicht verdient. Es ist ungerecht!«
»Unglück ist unverdient, das Schicksal ist nicht gerecht, und dennoch existiert beides«, antwortete Merlin und sagte Balin Lebewohl. »Denn«, so sprach er, »wir werden uns in dieser Welt nicht wiedersehen.«
Dann ritt Balin davon, durch das heimgesuchte Land, und sah allerorten Menschen, die tot waren oder im Sterben lagen, und die Lebenden riefen hinter ihm drein: »Balin, Ihr seid die Ursache solcher Verwüstung. Ihr werdet Eure Strafe dafür empfangen.« Und Balin trieb angstvoll sein Pferd an, um aus dem verheerten Land hinauszukommen. Er ritt acht Tage auf der Flucht vor dem Unheil und war froh, als er das wüste Gebiet hinter sich hatte und in einen schönen, stillen Wald gelangte. Seine
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