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König Artus

König Artus

Titel: König Artus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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nur von den würdigsten Rittern eingenommen werden, der letzte aber ist der Gefährliche Sitz. Nur ein einziger Ritter soll dort sitzen, und er wird der vollkommenste sein, der jemals leben wird. Und sollte irgendein anderer es wagen, diesen Platz einzunehmen, wird ihm das zum Verderben werden.« Dann nahm Merlin Sir Pellinore bei der Hand, führte ihn zu einem der freien Sitze und sagte: »Das ist Euer Platz. Niemand ist seiner würdiger als Ihr.«
    Da erfaßten Sir Gawain Neid und Zorn, und er murmelte seinem Bruder Gaheris zu: »Der Ritter, dem diese Ehre widerfährt, hat unseren Vater, König Lot, getötet. Mein Schwert ist schon für ihn geschliffen. Ich werde ihn jetzt erschlagen.«
    »Faßt Euch in Geduld, Bruder«, redete Gaheris ihm zu. »Jetzt ist nicht der richtige Augenblick dafür. Ich bin vorerst noch Euer Knappe, aber sobald ich zum Ritter geschlagen bin, wollen wir fern des Hofes Rache nehmen und ihn töten. Wir müßten es bitter büßen, sollten wir dieses Fest durch eine Gewalttat stören.«
    »Vielleicht habt Ihr recht«, sagte Gawain. »Wir wollen unsere Chance abwarten.«
    Schließlich waren die Vorbereitungen für die Vermählung von Artus und Guinevere abgeschlossen, und die Besten, Tapfersten und Schönsten des Reiches strömten in die königliche Stadt Camelot. Die Barone und Ritter versammelten sich samt ihren Damen in der St.-Stephans-Kirche, und dort wurde die Vermählung mit fürstlichem Gepränge und kirchlicher Pracht vollzogen. Nachdem dies geschehen war, wurde der Beginn des Festes verkündet, und in der großen Halle nahmen die Gäste und Gefolgsleute die Plätze ein, die ihnen nach ihrer Stellung in der Welt zukamen.
    Dann forderte Merlin alle Anwesenden auf, stillzusitzen und sich nicht zu rühren, »denn nun hebt ein Zeitalter von Wunderdingen an, und ihr werdet seltsame Begebenheiten erleben«.
    Alle saßen nun regungslos, wie festgefroren auf ihren Plätzen und warteten stumm. Die Vorbereitungen waren zu Ende, Artus war König, die Tafelrunde ins Leben gerufen, und ihre Mitglieder, mutvolle, ritterliche und ehrenhafte Männer, saßen auf ihren Sitzen – der König über ihnen, steif und still, und neben ihm Merlin in lauschender Haltung. Sie schliefen vielleicht, wie sie es schon oft getan hatten und noch tun sollten, schlummernd und dennoch lauschend: den Stimmen der Not, der Furcht oder der Bedrängnis oder dem Ruf des reinen, goldenen Abenteuers, der sie wecken konnte. König Artus und seine Ritter, stumm wartend in der großen Halle der Burg von Camelot.
    Dann war der scharfe, rasche Schlag zierlicher Hufe auf den Steinplatten zu hören, und in die Halle kam ein weißer Hirsch gesprungen, von einer schneeweißen Jagdhündin gehetzt, und beiden folgte ein Rudel schwarzer Jagdhunde, die blaffend der Spur nachjagten. Der Hirsch sprang in großen Sätzen mit der Hündin an seiner Flanke an der Runden Tafel vorbei, und als er an einer Anrichte vorüberstürmte, verbiß sich die Hündin in seine Flanke und riß ein Stück Fleisch heraus. Vor Schmerz vollführte der Hirsch einen Luftsprung und stieß einen der sitzenden Ritter um. Im selben Augenblick bekam der Ritter die Hündin zu fassen und trug sie auf den Armen aus der Halle. Er stieg auf sein Pferd, ritt samt der Bracke hinweg, während der weiße Hirsch in großen Sätzen davonsprang und mit der schwarzen Meute verschwand, die ihn kläffend verfolgte.
    Als sich dann in der Halle das Leben wieder regte, kam auf einem weißen Zelter eine Dame hereingeritten, und sie rief laut zum König hin: »Sir, jener Ritter hat mich meiner Bracke beraubt. Laßt diesen Insult nicht zu, Herr!«
    »Ich habe damit nichts zu tun«, sagte der König. Und im selben Augenblick galoppierte ein gewappneter Ritter auf einem großen Kriegsroß herein, ergriff die Zügel des Zelters und zog die Dame, die zornig jammerte und kreischte, mit Gewalt aus der Halle. Der König war froh, als sie fort war, denn sie hatte einen großen Lärm veranstaltet. Merlin aber tadelte ihn.
    »Man kennt ein Abenteuer noch nicht, wenn man nur seinen Anfang kennt«, sagte er. »Großes wird klein geboren. Entehrt Euer Fest nicht dadurch, daß Ihr mißachtet, was sich dazu einfindet. So verlangt es das Gesetz der ritterlichen Ausfahrt.«
    »Wohlan«, sagte Artus, »ich werde mich an das Gesetz halten.« Und er wies Sir Gawain an, den weißen Hirsch zu erjagen und ihn zum Fest zu bringen. Und Sir Torre schickte er aus, damit er den Ritter suche, der die weiße Bracke

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