König Artus
Nyneve wußte, daß er seine geheimen Fertigkeiten einzusetzen plante, und sagte zu ihm, wenn er sie besitzen wolle, müsse er ihr schwören, zu diesem Zweck keine Nekromantie zu gebrauchen. Und Merlin in seiner greisenhaften Betörtheit und brennend vor Verlangen leistete diesen Eid und besiegelte damit sein Schicksal.
Das ungleiche Paar zog rastlos durch die Lande. Es überquerte den Kanal und kam nach Benwick, wo Ban König und der Krieg mit König Claudas noch immer im Gange war.
König Bans Gemahlin war Königin Elaine, eine liebenswürdige und schöne Dame, und sie bat Merlin, er möge dazu helfen, daß der Krieg ein Ende nehme. Und indes sie sprachen, trat Elaines junger Sohn ein, und Merlin blickte ihn an.
»Seid ohne Sorge«, sagte er. »Dieser Knabe wird binnen zwanzig Jahren Claudas bezwingen, ja, mehr noch: Euer Kind ist dazu ausersehen, der größte Ritter der Welt zu werden, und die Erinnerung an ihn und sein Ruhm werden künftigen Zeiten Labsal und Stärkung sein. Ich weiß, Ihr habt ihm zuerst den Namen Galahad gegeben, ihn aber bei seiner Taufe Lancelot genannt.«
»So ist es«, sagte Königin Elaine verwundert. »Ich habe ihn wirklich zuerst Galahad genannt. Doch sage mir, Merlin, werde ich seinen Aufstieg noch erleben?«
»Ihr werdet ihn noch erleben, das schwöre ich Euch, und noch lange Jahre danach leben.«
Nyneve langweilte sich und war unruhig. Als sie Bans Hof verließ, folgte ihr Merlin und flehte sie keuchend an, mit ihm der Liebe zu pflegen und sein Verlangen zu stillen, doch sie war seiner überdrüssig. Sie wollte, wie es bei einem jungen Fräulein nicht anders sein kann, von einem alten Mann nichts wissen, und sie fürchtete sich auch vor ihm, denn es hieß, Merlin sei ein Sohn des Teufels. Doch sie konnte ihn nicht abschütteln, denn er folgte ihr bettelnd und winselnd auf Schritt und Tritt.
Dann begann Nyneve mit der den Mädchen eigenen List Merlin über seine Zauberkünste auszufragen, und gab ihm andeutungsweise zu verstehen, daß sie ihn im Austausch gegen sein Wissen vielleicht erhören werde. Und obwohl Merlin die Absicht durchschaute, konnte er, in der den Männern eigenen Hilflosigkeit, sich nicht enthalten, sie in diesen Künsten zu unterweisen. Und während sie also übers Meer nach England zurückfuhren und dann von der Küste gemächlich nach Cornwall ritten, zeigte Merlin ihr viele Wunderdinge, und als er schließlich den Eindruck gewann, sie zeige an ihm Interesse, brachte er ihr bei, wie man die magischen Wirkungen hervorbrachte. Er lieferte ihr die Werkzeuge der Verzauberung, die magischen Mittel zur Abwehr von Magie aus, und schließlich brachte er ihr, von seiner Altersnarrheit irregeleitet, jene Bannsprüche bei, die durch nichts gebrochen werden können. Und als sie in mädchenhafter Begeisterung die Hände zusammenschlug, schuf der alte Mann ihr zu Gefallen unter einem großen Felsblock einen Raum von unglaublicher Wunderpracht. Er stattete ihn mittels seiner Künste mit Annehmlichkeiten und reichem Schmuckwerk aus, ein herrliches Gemach, in dem – so dachte er sich – ihre Liebe vollzogen werden sollte. Und die beiden gingen durch einen unterirdischen Gang zu dem Raum der Wunder, mit goldenem Tuch ausgekleidet und vom Schein vieler Kerzen erhellt. Merlin trat ein, um ihn ihr zu zeigen, doch Nyneve tat einen Sprung zurück und sprach einen jener furchtbaren Zaubersprüche, deren Bann auf keine Weise gebrochen werden kann, und Merlin war auf ewige Zeiten gefangen. Durch den Felsen hindurch konnte sie schwach seine Stimme hören, wie er sie anflehte, ihn herauszulassen. Doch Nyneve stieg auf ihr Pferd und ritt davon. Und Merlin ist dort bis auf den heutigen Tag geblieben, so wie er es hatte kommen sehen.
Nicht lange nach dem großen Fest zu seiner Vermählung verlegte König Artus seinen Hof nach Cardolle, und dort erhielt er eine Hiobsbotschaft. Fünf Könige – der von Dänemark und sein Bruder, der König von Irland, zusammen mit den Königen des Tales, von Sorleyse und der Insel Longtaynse – hatten sich vereinigt und waren mit einem großen Heer in England eingefallen. Die Feinde zerstörten alles auf ihrem Weg, Burgen, Städte und das Vieh, und töteten auch die Menschen, die nicht rechtzeitig hatten fliehen können.
Als Artus davon erfuhr, sagte er matt: »Seit ich König bin, ist mir kein einziger ruhiger Monat vergönnt gewesen. Und jetzt darf ich nicht rasten, bis ich die Eindringlinge gestellt und vernichtet habe. Ich kann nicht zulassen,
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