König Artus
Schwert aus der Scheide und inspizierte die Klinge, während Gawain ungeduldig wartete und die Sonne ihrer mittäglichen Position entgegenkroch.
Nun näherte sich Sir Marhalt behäbig, das Schwert zur Abwehr bereit, der leicht schwankende Schild voran. Gawain sprang auf ihn zu, drang mit Hieben heftig auf ihn ein und versuchte, einen tödlichen Streich anzubringen, solange seine Kraft noch im Zunehmen war. Doch Marhalt war ein altgedienter Kämpe. Er hielt den behelmten Kopf gesenkt, deckte ihn mit dem hin und her schwankenden Schild, vollführte Finten, um einen Angriff herauszufordern, und ließ die Attacke ins Leere laufen, wenn er zurückwich. »Warum habt Ihr es so eilig?« fragte er. »Wir haben doch den ganzen Tag zum Kämpfen.«
Die Frage reizte Gawain noch mehr. Er führte einen blitzschnellen Stoß an Marhalts Schild vorbei, versetzte ihm einen Stich in die Seite und spürte zu spät, wie ihm als Antwort die Spitze von Marhalts Schwert in den Oberschenkel drang. Er umtanzte den Ritter, der sich auf die Abwehr beschränkte, und deckte den Schild, den Marhalt dicht vor sich hinhielt, und den nach vorne geneigten Helm mit Schwertstreichen ein.
»Ihr seid ein starker Mann«, sagte Marhalt leise. »Ihr werdet mit jedem Augenblick stärker. Teilt Euch Eure Kraft und Euren Atem für den langen Kampf gut ein. Kommt – laßt uns einen Augenblick innehalten.«
Doch Gawain sah, daß sein Schatten unter ihm schrumpfte, drang wieder auf Marhalt ein, und sein Schwert wirbelte blitzend wie ein stählernes Rad durch die Luft. Er verwundete Marhalt und empfing selbst sofort darauf von diesem kleine Blessuren. Und er wurde kurzatmig, während er sich mühte, die Verteidigung des geübten und überlegt kämpfenden Widersachers zu durchbrechen. Er hieb auf Marhalt ein wie eine glänzende Ramme, riß an dem Schild, mit dem Marhalt sich deckte, sah unter sich seinen Schatten schwinden und wankte unter dem Gewicht des auf ihn eindringenden Schildes zurück. Nun spürte Gawain, daß seine Kraft zu erlahmen begann, und seine Lungen rasselten vor Erschöpfung. Die Freude an dem Zweikampf verließ ihn und wich einem leichten Schmerz. Er wich zurück und umkreiste Marhalt vorsichtig.
Dieser hatte seine Kraft für einen solchen Augenblick aufgespart. Jetzt bewegte er sich langsam vorwärts, holte unvermutet aus, hieb in den Rand von Gawains Schild und sah ihn, da Gawains Griff sich lockerte, zur Seite fliegen. Und nun drang er auf Gawain ein, um ihm mit seinem Schild die Sicht zu verstellen und ihm einen Stich in den Bauch zu versetzen, und er sah, daß der junge Ritter dem Stoß schutzlos preisgegeben war. Marhalt zögerte, wartete darauf, daß Gawains Schild die Stelle decken werde, doch er hing nutzlos an Gawains Seite.
Sir Marhalt zog sich vorsichtig – für den Fall, daß es sich um eine List handelte – zurück, und als er fünf Meter weit weg und vor einem Satz Gawains sicher war, stellte er sein Schwert mit der Spitze nach unten auf die Erde und sagte: »Noch vor kurzem habt Ihr Euch mit mir so gut geschlagen wie nur je ein Ritter. Jetzt aber seid Ihr abgekämpft, und Eure Kraft ist dahin. Wenn ich Euch jetzt tötete, wäre es Mord, und ich bin kein Mörder. Ich könnte Euch eine Erholungspause gewähren, und dann würdet vielleicht Ihr mich töten oder umgekehrt. Ihr habt keinen rechten Anlaß zum Streit mit mir – warum in Kauf nehmen, daß einer von uns beiden stirbt oder wir beide umkommen oder Schande auf uns laden. Es geht ja nur um ein Abenteuer. Seid Ihr damit einverstanden, daß wir Frieden schließen und keiner von uns den Sieg für sich beansprucht?«
Sir Gawain zitterte vor innerer Erregung. »Edler Ritter, Ihr seid der ritterlichste Mann, dem ich jemals begegnet bin. Ich könnte es nicht vorschlagen, weil ich jetzt der Schwächere bin. Ihr aber, stark und frisch, könnt es, und das ist nach Ritterart gehandelt. Ich nehme den Friedensvorschlag an, Herr Ritter, und danke Euch.«
Dann legte Gawain zum Zeichen seines Vertrauens sein Schwert auf die Erde, band sich den Helm los und nahm ihn vom Kopf. Marhalt folgte seinem Beispiel, die beiden umarmten einander brüderlich und gelobten auch, fortan wie Brüder zueinander zu sein. Nun kam Ewain heran, der sich die Wunde an der Seite hielt, und sie halfen ihm, seine Rüstung abzulegen. Dann führte sie Sir Marhalt zu seinem nicht weit entfernten Haus, wo die Diener ihnen die Wunden verbanden und es ihnen behaglich machten. Und die drei Ritter schlossen so rasch
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